Künstliche Intelligenz:"Sie wird überall sein und jeden Teil unseres Lebens verändern"

BigDog

Ein Beispiel für die mögliche Kriegsführung der Zukunft ist der Roboter Big Dog der Firma Boston Dynamics.

(Foto: Boston Dynamics)
  • Künstliche Intelligenz ist das große Thema der Geheimdienste und Streitkräfte.
  • Das zeigt sich auch bei der 55. Münchner Sicherheitskonferenz.
  • Dort ist die Frage nach dem Einfluss von KI in Verbindung mit dem neuen Mobilfunk-Standard 5G auf die globale Machtbalance Dauerthema.
  • Experten sind überzeugt: Beim Thema KI liegt China im Technik-Duell vorne, etwa durch das Wissen von Huawei.

Von Matthias Kolb

Es ist eine Szene, die viel verrät über den Wettstreit der Zukunft. "Am Ende wird unsere KI gegen ihre KI kämpfen, und die bessere gewinnt", sagt Robert Work, der bis Juli 2017 die Nummer zwei im US-Verteidigungsministerium war. KI steht für künstliche Intelligenz, "wir" sind die Amerikaner und "die" steht für China. Robert Work diskutiert bei einer Townhall-Debatte auf der Sicherheitskonferenz mit Microsoft-Präsident Brad Smith, und seine Worte werden penibel notiert von zwei uniformierten Soldaten der Volksbefreiungsarmee, die im Publikum sitzen - und sich freuen über so viel Offenheit.

Die Frage nach dem Einfluss von KI in Verbindung mit dem neuen Mobilfunk-Standard 5G auf die globale Machtbalance im 21. Jahrhundert ist Dauerthema im Bayerischen Hof. Work spricht aus, was Mitglieder der US-Sicherheitscommunity unter dem Siegel der Verschwiegenheit hinter verschlossenen Türen sagen. Da geht es zwar auch um autonome Waffensysteme, Fortschritte der Gesichtserkennung und die Meta-Frage, wie sich immer klügere Maschinen auf Dauer von Menschen kontrollieren lassen.

Einig sind sich aber alle Militärvertreter und Geheimdienstler: Beim Thema KI liegt China vorne im Technik-Duell, etwa durch das Wissen von Huawei. Und es steht ein Kampf bevor "zwischen autokratischen Staaten und Demokratien", wo Transparenz und Dialogbereitschaft eben auch für Widersacher gelten.

Microsoft-Spitzenmanager Smith ist aus dem Vatikan nach München gekommen, er hat mit Papst Franziskus über die ethischen Fragen rund um KI debattiert. Deren Potenzial vergleicht er mit Erfindungen wie Elektrizität oder dem Verbrennungsmotor: "Sie wird überall sein und jeden Teil unseres Lebens verändern." Als Tech-Optimist von der Westküste glaubt er, dass durch KI Bedrohungen besser erkannt und abgewehrt werden können. Für Armeen biete sich zudem mit KI - wie für Unternehmen - die Chance, effizienter zu werden und Personalkosten zu senken.

Mit 5-G-Technik können mit bis zu 10 000 Megabit pro Sekunde Daten heruntergeladen werden, was etwa autonomes Fahren möglich macht. Die sicherheitsrelevanten Aspekte, erläutert ein ehemaliger US-General im Nebenzimmer: "Die Riesenfrage ist doch: Wer managt künftig den wichtigsten Rohstoff, nämlich Daten?"

China ist ein Rivale, wie ihn die USA noch nie hatten

Auch Brad Smith betont, dass die für 5G nötigen Netzwerke sicher vor Eingriffen seien müssen - und dies Folgen haben wird für das Geschäft mit Russland oder China: "Wenn sich Technik mehr mit Militär verbindet, dann wird unser Markt weniger global." Es gibt keinen Widerspruch, als der Moderator die Gegenwart in Anlehnung an den "Sputnik-Moment" der späten Fünfziger als "Huawei-Moment" bezeichnet: Der Westen brauche einen Weckruf, um mehr in Forschung zu investieren, um den stärksten Gegenspieler in die Schranken zu weisen. Einst war dies die Sowjetunion, die den ersten Satelliten ins All schickte, aber Robert Work betont die Unterschiede: "China ist ein Rivale, den die USA so noch nie hatten: Eine technologische Supermacht, deren Volkswirtschaft bald größer ist als unsere."

In Europa geht die Debatte zurzeit darum, ob man dem Drängen Washingtons nachgibt und auf den Kauf von Huawei-Ausrüstung verzichtet. Großbritannien hält laut Financial Times das Risiko für "kontrollierbar". Wer die Perspektive jedoch weitet, sieht: Die EU und ihre Mitglieder sind schlecht gerüstet.

Helena Legarda vom Merics-Institut in Berlin und Meia Nouwens vom IISS-Thinktank beschreiben eindrücklich Chinas "entstehende Dominanz" in vielen Technikbereichen, die sich sowohl zivil als auch militärisch verwenden lassen. Neben KI geht es um Roboter, Satelliten und superschnelle Quantencomputer. Entsprechende Forschung wird im Einparteienstaat intensiv gefördert und militärisch nutzbar gemacht. Schon heute ist Pekings Budget das zweitgrößte der Welt. Mit besten Rahmenbedingungen sollen chinesische Wissenschaftler aus dem Westen zurückgeholt werden.

Treffend bezeichnen die Forscherinnen Europa als "Sparschwein" der Volksrepublik. Das ist leicht zu plündern, weil die USA die Exportkontrollen verschärft und harsch auf Raub von intellektuellem Eigentum reagiert haben - der EU fehle zu solchen Schritten der "politische Wille".

Autokraten wollen Demokratien destabilisieren durch einen "Krieg in der Grauzone"

Für Robert Work besteht kein Zweifel, dass KI künftig Kriege mit algorithmic warfare prägen wird: Künstliche Intelligenz wird Soldaten im Einsatz unterstützen, und irgendwann dürften sich auch autonome Systeme untereinander bekämpfen.

Es gibt Verbindungen zum Riesenthema der Sicherheitskonferenz 2018, als über das "Internet als Schlachtfeld" und die Gefahr durch Hacker, Bots und soziale Medien debattiert wurde. Ein Jahr später lässt sich nicht mehr ignorieren: Autokraten wollen Demokratien destabilisieren durch einen "Krieg in der Grauzone". Der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson zählte in seiner Rede Russlands Werkzeuge auf: Spionage, Cyberkriminalität, Söldner-Armeen, Online-Trolle und Desinformation. KI werde diese Mittel wirksamer machen, prophezeite Work.

Wie 2018 schicken die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley hochrangige Vertreter, um gerade vor der Europawahl zu zeigen: "Wir bessern uns." Googles Vizepräsident Kent Walker stellt eine 30-seitige Broschüre vor, wie die Firma gegen Desinformation kämpft und verspricht, dass seine Firma Wahlkampf-Teams gerne helfe, Daten und E-Mails zu schützen.

2016 war es ein G-Mail-Account von Clintons Top-Berater John Podesta, der gehackt und von Wikileaks instrumentalisiert wurde. Facebook betont in vielen Gesprächen, wie es die "Integrität der Europawahl" schützen werde: durch Kooperationen mit Fact-Checkern und Behörden sowie einem Expertenzentrum in Dublin. Der Thinktank Atlantic Council hat die Mitglieder seines "Digital Forensic Research Lab" nach München geschickt, die demonstrieren, wie sie aus öffentlich zugänglich Quellen und mit Bildern von Facebook, Instagram und Co. die Existenz russischer Soldaten in der Ukraine nachgewiesen oder Desinformationskampagnen aufgedeckt haben. Ein Experte warnt davor, sich auf Moskaus Störaktionen zu fokussieren: "Wir beobachten die gleichen Strategien, wenn es um Taiwan oder das Südchinesische Meer geht."

Dass die Themen China und Cyber in alle sicherheitspolitischen Diskussion hineinreichen, illustriert der Auftritt von Nicholas Burns und Douglas Lute. Beide waren einst US-Botschafter bei der Nato. Sie skizzieren zu deren 70. Geburtstag eine "Allianz in der Krise". Die Nato müsse sich darauf einstellen, dass China die geltende internationale Ordnung untergraben werde. Zudem müsse ihr Planungsprozess schneller werden, um mit den rasanten technischen Entwicklungen mitzuhalten.

Dass sich gerade die Europäer damit schwer tun, liegt für Burns und Lute auch an der ihrer Ansicht nach größten Gefahr für die Nato: Es ist US-Präsident Donald Trump.

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