Es ist eine Szene, die viel verrät über den Wettstreit der Zukunft. "Am Ende wird unsere KI gegen ihre KI kämpfen, und die bessere gewinnt", sagt Robert Work, der bis Juli 2017 die Nummer zwei im US-Verteidigungsministerium war. KI steht für künstliche Intelligenz, "wir" sind die Amerikaner und "die" steht für China. Robert Work diskutiert bei einer Townhall-Debatte auf der Sicherheitskonferenz mit Microsoft-Präsident Brad Smith, und seine Worte werden penibel notiert von zwei uniformierten Soldaten der Volksbefreiungsarmee, die im Publikum sitzen - und sich freuen über so viel Offenheit.
Die Frage nach dem Einfluss von KI in Verbindung mit dem neuen Mobilfunk-Standard 5G auf die globale Machtbalance im 21. Jahrhundert ist Dauerthema im Bayerischen Hof. Work spricht aus, was Mitglieder der US-Sicherheitscommunity unter dem Siegel der Verschwiegenheit hinter verschlossenen Türen sagen. Da geht es zwar auch um autonome Waffensysteme, Fortschritte der Gesichtserkennung und die Meta-Frage, wie sich immer klügere Maschinen auf Dauer von Menschen kontrollieren lassen.
Einig sind sich aber alle Militärvertreter und Geheimdienstler: Beim Thema KI liegt China vorne im Technik-Duell, etwa durch das Wissen von Huawei. Und es steht ein Kampf bevor "zwischen autokratischen Staaten und Demokratien", wo Transparenz und Dialogbereitschaft eben auch für Widersacher gelten.
Microsoft-Spitzenmanager Smith ist aus dem Vatikan nach München gekommen, er hat mit Papst Franziskus über die ethischen Fragen rund um KI debattiert. Deren Potenzial vergleicht er mit Erfindungen wie Elektrizität oder dem Verbrennungsmotor: "Sie wird überall sein und jeden Teil unseres Lebens verändern." Als Tech-Optimist von der Westküste glaubt er, dass durch KI Bedrohungen besser erkannt und abgewehrt werden können. Für Armeen biete sich zudem mit KI - wie für Unternehmen - die Chance, effizienter zu werden und Personalkosten zu senken.
Mit 5-G-Technik können mit bis zu 10 000 Megabit pro Sekunde Daten heruntergeladen werden, was etwa autonomes Fahren möglich macht. Die sicherheitsrelevanten Aspekte, erläutert ein ehemaliger US-General im Nebenzimmer: "Die Riesenfrage ist doch: Wer managt künftig den wichtigsten Rohstoff, nämlich Daten?"
China ist ein Rivale, wie ihn die USA noch nie hatten
Auch Brad Smith betont, dass die für 5G nötigen Netzwerke sicher vor Eingriffen seien müssen - und dies Folgen haben wird für das Geschäft mit Russland oder China: "Wenn sich Technik mehr mit Militär verbindet, dann wird unser Markt weniger global." Es gibt keinen Widerspruch, als der Moderator die Gegenwart in Anlehnung an den "Sputnik-Moment" der späten Fünfziger als "Huawei-Moment" bezeichnet: Der Westen brauche einen Weckruf, um mehr in Forschung zu investieren, um den stärksten Gegenspieler in die Schranken zu weisen. Einst war dies die Sowjetunion, die den ersten Satelliten ins All schickte, aber Robert Work betont die Unterschiede: "China ist ein Rivale, den die USA so noch nie hatten: Eine technologische Supermacht, deren Volkswirtschaft bald größer ist als unsere."
In Europa geht die Debatte zurzeit darum, ob man dem Drängen Washingtons nachgibt und auf den Kauf von Huawei-Ausrüstung verzichtet. Großbritannien hält laut Financial Times das Risiko für "kontrollierbar". Wer die Perspektive jedoch weitet, sieht: Die EU und ihre Mitglieder sind schlecht gerüstet.
Helena Legarda vom Merics-Institut in Berlin und Meia Nouwens vom IISS-Thinktank beschreiben eindrücklich Chinas "entstehende Dominanz" in vielen Technikbereichen, die sich sowohl zivil als auch militärisch verwenden lassen. Neben KI geht es um Roboter, Satelliten und superschnelle Quantencomputer. Entsprechende Forschung wird im Einparteienstaat intensiv gefördert und militärisch nutzbar gemacht. Schon heute ist Pekings Budget das zweitgrößte der Welt. Mit besten Rahmenbedingungen sollen chinesische Wissenschaftler aus dem Westen zurückgeholt werden.
Treffend bezeichnen die Forscherinnen Europa als "Sparschwein" der Volksrepublik. Das ist leicht zu plündern, weil die USA die Exportkontrollen verschärft und harsch auf Raub von intellektuellem Eigentum reagiert haben - der EU fehle zu solchen Schritten der "politische Wille".