Seit vier Jahren gibt es die Ehe für alle, das war ein großer Sieg für homosexuelle Paare. Betrachtet man freilich die rechtlichen Hindernisse, die sich ihnen auch heute noch in den Weg stellen, war es wohl nur ein Etappensieg. Eine der fortbestehenden Ungleichheiten betrifft die künstliche Befruchtung: Während bei der klassischen Mann-Frau-Ehe die gesetzliche Krankenkasse die Kosten übernimmt, müssen lesbische Paare die Behandlung selbst bezahlen - was sich rasch auf 10 000 oder 20 000 Euro summieren kann.
An diesem Mittwoch verhandelt das Bundessozialgericht über die Frage, ob dies mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Geklagt hat eine Frau, die mit ihrer Partnerin verheiratet ist. Sie leidet an einer Fertilitätsstörung und wollte mithilfe einer künstlichen Befruchtung schwanger werden. Als die Krankenkasse die Kosten des ersten Versuchs in Höhe von 6500 Euro nicht zahlen wollte, zog sie vor Gericht.
Das Sozialgericht Würzburg wie auch das Landessozialgericht München wiesen die Klage ab. Und zwar deshalb, weil im Gesetz die Kostenübernahme tatsächlich nur für Hetero-Ehen vorgesehen ist: Nicht nur der Trauschein ist Voraussetzung, sondern auch, dass "ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden". Frauen, die auf normalem Weg nicht schwanger werden können, müssen bei künstlicher Befruchtung mit dem Samenspender verheiratet sein - oder die Behandlung selbst bezahlen.
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Das führt zu der Frage, was den Kinderwunsch lesbischer und heterosexueller Paare eigentlich unterscheidet. Der Schmerz, keine Kinder bekommen zu können, ist derselbe. Auch die Geborgenheit, die der Nachwuchs zu erwarten hat, lässt sich nicht zwischen lesbischen und heterosexuellen Paaren differenzieren. Zudem ist künstliche Befruchtung hier wie dort erlaubt. Den entscheidenden Unterschied machen laut Gesetz die Gene: Wenn sie von außen kommen, von der Samenbank, dann zahlt die Kasse nicht.
Ist das ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung? Das Landessozialgericht wollte hier keine Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung erkennen. Denn die Ablehnung der Kostenübernahme könne ja auch gemischtgeschlechtliche Paare treffen, und zwar dann, wenn der Mann zeugungsunfähig ist.
Soll eine Diskriminierung eine andere Benachteiligung rechtfertigen?
Mit einer gewissen Chuzpe führt das bayerische Gericht aber noch einen weiteren Punkt an, um die Schlechterstellung gleichgeschlechtlicher Paare zu rechtfertigen: das Kindeswohl. Wird in einer lesbischen Ehe nämlich ein Kind geboren, dann wird die Ehefrau der Mutter nicht automatisch zur Zweitmutter, sondern muss das Kind erst noch adoptieren. Anders bei der Hetero-Ehe: Mit der Geburt wird der Mann Vater, egal, wer das Kind gezeugt hat. Das Gericht hat sich daher Folgendes überlegt: Sollte die Ehefrau der Mutter sich gegen die Adoption entscheiden, dann hätte das Kind nur einen Elternteil - und nur einen Unterhaltsanspruch. Das sei ein Minus fürs Kindeswohl.
Das klingt freilich so, als wolle das Gericht eine Diskriminierung Homosexueller mit einer anderen Benachteiligung rechtfertigen. Denn die automatische Co-Mutterschaft für lesbische Ehepaare wird längst gefordert, etwa von den bisher oppositionellen Grünen. Und überhaupt, das Kindeswohl. Denkt man das zu Ende, dann kommt man zu einem eher absurden Ergebnis: In gleichgeschlechtlichen Familien dient es nicht dem Wohl des Kindes, dass seine Zeugung durch Geld der Krankenkasse gefördert wird.
Sollte das Bundessozialgericht das Gesetz für verfassungswidrig halten, müsste es das Bundesverfassungsgericht anrufen. Denkbar wäre aber, dass die Politik hier schneller ist. Die Grünen wollen ihrem Wahlprogramm zufolge die Diskriminierung abschaffen, bei der Kostenerstattung wie bei der Elternschaft.