Künftiger US-Präsident:Trumps irritierende Telefon-Diplomatie

Donald Trump, Tsai Ing-wen

Der künftige US-Präsident Donald Trump hat am Telefon mit Taiwans Staatsoberhaupt Tsai Ing-wen gesprochen. Das besorgt Diplomaten.

(Foto: AP)

Dass der neue US-Präsident mit Taiwans Präsidentin spricht, provoziert China. Es geht auch wieder um seine Geschäftsinteressen. Hat Trump überhaupt einen Plan für seine Außenpolitik?

Analyse von Matthias Kolb, Washington

Das Eingeständnis versteckt sich im letzten Absatz. Per Statement teilt das Presseteam von Donald Trump mit, dass der künftige US-Präsident mit vier Staatschefs telefoniert habe: dem Afghanen Aschraf Ghani, Rodrigo Duterte von den Philippinen, dem Premierminister von Singapur sowie mit Tsai Ing-Wen. Frau Tsai ist seit Mai die Präsidentin Taiwans. Beide hätten "die engen Beziehungen beider Staaten in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sicherheit" diskutiert.

Am Samstagmorgen legte China dann offiziell Protest bei den USA ein. Die Regierung in Peking fordere die "relevanten Stellen" in Washington auf, an der sogenannten Ein-China-Politik festzuhalten, teilte das chinesische Außenministerium mit. Jeder "offizielle Kontakt" zwischen den USA und Taiwan werde "klar abgelehnt".

Mit seinem Telefonat hat Trump noch vor seiner Vereidigung mit jahrzehntelanger US-Politik gebrochen und unter Diplomaten Besorgnis ausgelöst. Der Fall deutet an, was sich unter Präsident Trump öfter abspielen könnte: Eine lockere Bemerkung oder unkonventionelles Auftreten können schwerwiegende Folgen haben - und stets dürfte spekuliert werden, welche Rolle Trumps Geschäftsinteressen dabei spielen.

"Das ist das erste Mal, dass der künftige Präsident China herausfordert", sagt Politik-Professor Shi Yinhong von der Renmin-Universität der New York Times. Trumps Telefonat habe den "sensibelsten Punkt" der chinesischen Außenpolitik berührt. Die Regierung werde dies wohl als Unterstützung Trumps für die in Peking unbeliebte Präsidentin Taiwans ansehen.

Im Zuge ihrer Annäherung an China hatten die USA 1979 ihre diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen. In den vergangenen Jahrzehnten war der Status der Insel eines der heikelsten Themen in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen. Peking akzeptiert die taiwanischen Unabhängigkeitsbestrebungen nicht. Die USA hingegen haben Taiwan, militärische Unterstützung zugesichert, falls es sich verteidigen müsste.

Trump wiegelt ab: Ich wurde angerufen

Das Weiße Haus distanzierte sich umgehend von Trumps Vorgehen. "Es gibt keine Änderung unserer geltenden Politik", betonte eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates. "Wir sind streng unserer Ein-China-Politik verpflichtet." Inoffiziell gibt es weiter freundschaftliche Kontakte zu Taipeh, die über die so genannten "Taipei Economic and Cultural Representative Offices" organisiert werden. In seinen Tweets schrieb der 70-jährige Trump, dass er die Aufregung nicht verstehe: Die Taiwanesin habe ihn angerufen und er habe nur die Glückwünsche eines Staates angenommen, dem die USA Waffen im Wert von vielen Milliarden Dollar verkaufe.

Diplomaten betonen jedoch, dass Taiwans Präsidentin nicht zum Hörer gegriffen hätte, wenn das Gespräch nicht im Voraus vereinbart worden wäre. Die Episode illustriert erneut, dass Trump auf viele Gepflogenheiten verzichtet, die in der transition zwischen Wahlsieg und Vereidigung üblich sind. Bis heute lässt sich der Republikaner nicht von Diplomaten des Außenministeriums auf seine Telefonate vorbereiten. Erst am Donnerstag hatte Regierungssprecher Josh Earnest Trump aufgefordert, diese professionelle Hilfe anzunehmen: Obama habe 2008 davon sehr profitiert.

Im Laufe des Freitags gerieten auch erneut die vielen Geschäftsbeziehungen Trumps in den Mittelpunkt. Mitte November hatte der Bürgermeister von Taoyua bestätigt, dass die "Trump Organization" überlege, Luxushotels und -wohnungen im Nordwesten Taiwans zu bauen. Wie der künftige Präsident diese Interessenskonflikte lösen will, ist offen: Erst Mitte Dezember will er bekannt geben, wie sein "kompletter Rückzug" aus seinen Firmen aussehen soll und welche Rolle seine Kinder spielen werden.

Sonderbare Worte zu Pakistan und Kasachstan

Wie ungewöhnlich der Geschäftsmann Trump auch in der Außenpolitik agiert, ist seit seinem Wahlsieg oft zu beobachten. So empfing er den Japaner Shinzo Abe in einem seiner goldenen Zimmer im Trump Tower - und ließ Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner mithören.

Dass er sich sofort mit "Mr. Brexit" Nigel Farage traf und später per Twitter die britische Regierung aufforderte, den früheren UKIP-Chef zum Botschafter in den USA zu machen, sorgte für Stirnrunzeln. Der Vorfall war peinlich für Premierministerin Theresa May, ist Großbritannien doch enger Partner der USA.

Problematischer waren andere Gespräche. So fand Trump offenbar sehr wohlmeinende Worte für Nursultan Nasarbajew, den diktatorischen Präsidenten Kasachstans: Der Erfolg des Landes sei "fantastisch und kann als 'Wunder' bezeichnet werden" (mehr bei der New York Times).

Für noch mehr Aufregung sorgte Trumps Gespräch mit dem pakistanischen Staatschef Nawaz Sharif. Laut Presse-Statement der Pakistaner nannte der Republikaner Sharif einen "großartigen Kerl" und sagte, dass er liebend gern nach Pakistan reisen würde, in "ein fantastisches Land, ein fantastischer Ort mit fantastischen Leuten".

Trumps Vorgänger Obama hat es bisher vermieden, nach Pakistan zu reisen, denn das bilaterale Verhältnis ist "ziemlich kompliziert", wie es Regierungssprecher Earnest formuliert (es geht um Pakistans Rolle als Förderer der Taliban, die allgegenwärtige Korruption dort, den US-Drohnenkrieg sowie die Tötung von Al-Qaida-Chef Bin Laden in Pakistan). Dass Trump offenbar angeboten hat, Pakistan "in jeder Rolle" zu helfen, "die Probleme des Landes anzusprechen und zu lösen", lässt sich vor allem auf den Kaschmir-Konflikt und Pakistans Dauer-Rivalität mit Indien beziehen - und könnte als einseitige Unterstützung interpretiert werden.

"Durch solch lässige Aussagen ermutigt Trump Leute, ihn nicht ernst zu nehmen", kommentiert Daniel Feldman, der bis 2015 als Sonderbeauftragter für Afghanistan und Pakistan zuständig war. Und in Anspielung auf den Konflikt der Atommächte Indien und Pakistan sagt Feldman: "Er benimmt sich nicht nur wie ein Elefant im Porzellanladen; er ist ein Elefant im nuklearen Porzellanladen."

"Durch so etwas können Kriege ausgelöst werden"

Ähnlich entsetzt äußern sich demokratische Außenpolitiker. Senator Chris Murphy aus Connecticut schreibt in einer Reihe von Tweets, dass Trump gerade dabei sei, "ohne jeden Plan" die US-Außenpolitik grundlegend zu verändern. Die Lage sei ernst: "Durch so etwas können Kriege ausgelöst werden."

Auch wenn diese Aussagen sehr alarmistisch und von parteipolitischen Hintergründen geprägt sind: Das bisherige Agieren Trumps macht deutlich, dass er dringend einen erfahrenen Außenminister braucht, der mehr von der Komplexität der Außen- und Sicherheitspolitik versteht. Dass seine Beraterin Kellyanne Conway am Freitagabend bei CNN versichert, Trump wisse natürlich genau, wie die US-Politik gegenüber Peking aussehe und wie heikel das Thema Taiwan sei, wirkt wie Schadensbegrenzung.

Interessanterweise traf Chinas Präsident Xi Jinping (er telefonierte am 14. November mit Trump) mit Ex-Außenminister Henry Kissinger zusammen. Auch Kissinger, der Über-Realpolitiker, hatte sich zuletzt mit Trump getroffen. Es wurde spekuliert, ob der 93-Jährige eine Botschaft an Xi überbringen sollte.

Chinas Präsident betonte vor Reportern, dass man auf "stabile und nachhaltige Beziehungen" mit Washington hoffe. Trump hat womöglich noch nicht realisiert, dass jedes seiner Worte als künftiger US-Präsident enorme Folgen haben kann. Xi sagte im Beisein Kissingers auch: "Wir beobachten die Lage sehr genau."

Linktipp: Ein aufschlussreicher Artikel über die möglichen Verschiebungen der US-Außenpolitik gegenüber China und Taiwan unter Präsident Trump im Magazin Pacific Standard.

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