Noch vor seiner Vereidigung hat Donald Trump eine alte Regel gebrochen: Der künftige US-Präsident telefonierte mit Taiwans Staatsoberhaupt Tsai Ing-wen und riskiert so Verwerfungen mit China. Peking betrachtet die Insel als abtrünnige Provinz, während Taiwan sich als eigenständig funktionierende Demokratie sieht. Seit Jahrzehnten hatten US-Präsidenten keinen Kontakt zu Taiwans Staatschefs.
Trumps Wahlkampfteam bestätigte das Telefonat und erklärte in einer Stellungnahme: "In ihrem Gespräch haben der gewählte Präsident Trump und Präsidentin Tsai Ing-wen über die engen wirtschaftlichen, politischen und sicherheitspolitischen Bindungen zwischen Taiwan und den USA gesprochen." Laut New York Times war niemand im Weißen Haus, wo bis zum 20. Janaur Barack Obama die Geschäfte führt, über Trumps Telefonat informiert.

USA:Trumps Wahlkampf endet nie
Auf seiner "Dankestour" tritt der künftige US-Präsident noch einmal vor seine Anhänger. In Indiana gibt er sich dabei als Retter verloren geglaubter Industriejobs - die Inszenierung ist ein Vorgeschmack auf die kommenden vier Jahre.
Das Trump-Statement lässt die Frage offen, ob die USA in ihrer Taiwanpolitik vor einem historischen Schwenk stehen. Seit der damalige Präsident Richard Nixon 1972 Peking besuchte, verfolgen die USA eine "Ein China"-Politik.
US-Beziehungen zu Taiwan wurden 1979 abgebrochen
1978 erkannte US-Präsident Jimmy Carter das kommunistische China als alleinigen Vertreter an - ein Jahr später wurde die Botschaft in Taiwan geschlossen. Heute unterhalten die USA und Taiwan stabile, aber inoffizielle Beziehungen. China akzeptiert die taiwanischen Unabhängigkeitsbestrebungen nicht. Die USA hingegen haben Taiwan, falls es sich verteidigen müsste, militärische Unterstützung zugesichert.
Wegen des Drucks aus der Volksrepublik haben nur wenige Länder Taiwan als souveränen Staat anerkannt. Auch Deutschland unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. China ist Taiwans größter Handelspartner. Umgekehrt ist die Insel einer der größten Investoren in der Volksrepublik.
Allgemein wird damit gerechnet, dass die Machthaber in China verärgert auf Trumps Telefonat reagieren dürften. Auch wenn sich die Beziehungen zwischen Taiwan und China zuletzt verbessert haben, hat die Wahl von Präsidentin Tsai zu einer Verschlechterung geführt. Sie vertritt eine Politik des größeren Abstands zu Ch ina.
Im Wahlkampf hatte Trump ständig auf China geschimpft und dem Land vorgeworfen, unter anderem die eigene Währung zu manipulieren und für die Verlagerung von US-Jobs ins Ausland verantwortlich zu sein. Trump bringt immer wieder hohe Strafzölle gegenüber Peking ins Gespräch. Dass der Republikaner das TPP-Freihandelsabkommen mit mehreren asiatischen Staaten stoppen will, wird jedoch vor allem einem Land nützen: der Volksrepublik China.
Lesen Sie hier ein Porträt über Tsai Ing-wen von SZ-China-Korrespondent Kai Strittmatter: