Künftiger Staatssekretär:Für Maaßen erfüllt sich ein Karrieretraum

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  • Der bisherige Verfassungsschutzpräsident Maaßen wird Staatssekretär im Bundesinnenministerium.
  • Das bedeutet für ihn einen hübschen Gehaltssprung. Und Staatssekretär wollte er zuvor schon gerne werden.
  • Doch womöglich muss Maaßen sich ganz aus der Sicherheitspolitik zurückziehen.

Von Ronen Steinke, Berlin

Ausgerechnet an einem Dienstag hat Hans-Georg Maaßen erfahren, was nach dem wochenlangen politischen Donnerwetter um seine AfD-Kontakte und seltsamen Behauptungen zu rechter Gewalt in Chemnitz faktisch als Konsequenz stehen bleibt: nämlich eine Beförderung. Maaßen steigt auf. Sieh an.

Dienstag ist immer Kanzleramt-Tag gewesen für Maaßen. Womöglich war er sogar an diesem Vormittag wieder im Gebäude, nur ein paar Stunden bevor hier sein eigenes Schicksal entschieden werden sollte. Woche für Woche ist Maaßen hier zur sogenannten "Nachrichtendienstlichen Lage" vorgefahren, immer gegen 10.30 Uhr.

Ein abhörsicherer, fensterloser Raum, Maaßen und die anderen Präsidenten der Sicherheitsbehörden - also des Bundesnachrichtendiensts, des Bundeskriminalamts, der Bundespolizei und des Militärischen Abschirmdienstes - saßen in U-Form. Sie referierten vom Platz aus für die Spitzenbeamten des Kanzleramts, an die Stirnseite des Raums wurden Bilder projiziert, Karten aus Afghanistan, Fahndungsfotos von Islamisten.

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Am Nachmittag nach der jüngsten dieser "ND-Lagen" war Maaßen nun selbst der wichtigste Tagespunkt, bei einem Krisentreffen der Parteichefs von CDU, CSU und SPD: Er wird künftig Staatssekretär im Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer (CSU), so das Ergebnis. Und das bedeutet für Maaßen, der seit 2012 als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz amtiert hatte, nicht nur einen hübschen Gehaltssprung um etwa 2600 Euro, er rückt von Besoldungsstufe B9 auf B11.

Für ihn bedeutet es eigentlich auch die Erfüllung eines Karrieretraums: Staatssekretär, darauf hatte Maaßen während der Koalitionsverhandlungen im Frühjahr bis zuletzt gehofft. Nun hat die SPD, die lautstark seinen Rückzug von der Spitze des Verfassungsschutzes gefordert hatte, ihm genau dies beschert. Weil sie zwar verlangte, Maaßen seines bisherigen Amtes zu entheben. Aber nicht zwingend, ihn ganz in die Wüste zu schicken. Ein Spielraum - und Innenminister Seehofer, der gern zu Maaßen halten wollte, hat ihn genutzt.

Womöglich wird es sich für Maaßen doch noch anfühlen wie eine Strafe

Andererseits war zunächst unklar, wie genau Seehofers Rochade aussehen würde. Maaßen soll im Ministerium laut Seehofer künftig nicht den Verfassungsschutz beaufsichtigen. Was genau seine Aufgaben sein werden, wolle man erst am Mittwoch erklären. Im Innenministerium, das neuerdings auch für Bauen und Wohnen zuständig ist, könnte also auch ein Themen-Dossier warten, das nicht nach Maaßens Geschmack ist. Womöglich wird er sich künftig nicht nur aus dem Licht der Öffentlichkeit zurückziehen müssen, sondern auch ganz aus der Sicherheitspolitik. Und womöglich wird es sich im Rückblick dann doch noch anfühlen wie eine Strafe.

Dass die Kanzlerin in einem Koalitionsstreit keine schützende Hand über Maaßen halten würde, war für Teilnehmer der "Nachrichtendienstlichen Lage" schon zu ahnen gewesen. Für Merkels Leute geht es bei diesen Dienstagsrunden darum, sich auf dem Laufenden zu halten. Gleichzeitig ist es aber auch eine Methode, die Geheimdienstler auf Abstand zu halten.

Darüber haben sich Maaßen und andere Teilnehmer zunehmend geärgert: Immer wieder haben sie gewarnt vor den Risiken, die mit der Aufnahme von Flüchtlingen einhergehen würden - angeblich bis hin zu der spitzen Bemerkung, dass Selfies der Kanzlerin mit Flüchtlingen keine gute Idee seien. Sie könnten in der Ferne eine Sogwirkung entfalten. Merkel ist nie gekommen, um sich das anzuhören. Auch nicht, als Unionsabgeordnete sie 2015 dazu drängen wollten.

In anderen Ländern tragen Geheimdienstchefs dem Regierungschef persönlich vor. Nicht so in Deutschland. Hier hält die Kanzlerin Abstand, sie macht einen Bogen um die heiklen Gesprächsrunden der Geheimdienstler, es gilt ein Prinzip, das in den USA "plausible deniability" genannt wird: Im Zweifel soll die Chefin sagen können, sie habe nichts gewusst; das minimiert die politischen Risiken. Nur einmal ist Merkel zu Maaßen gekommen, im Oktober 2014 hat sie den Verfassungsschutz in Köln-Chorweiler besucht.

Im Anschluss an die "Nachrichtendienstliche Lage" folgte für Maaßen immer noch die "Präsidentenrunde", kleiner und exklusiver. Nur der Chef des Bundeskanzleramts allein mit den Geheimdienstchefs, ohne Begleiter, ohne Gesprächsprotokoll, gereicht wird ihnen meist ein einfaches Gericht aus der Kantine des Kanzleramts. Am vergangenen Dienstag war Maaßen hier noch mal wie gewohnt dabei, das Treffen soll ganz normal verlaufen sein, ohne Anspielungen auf seine Situation.

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Maaßens sechs Jahre an der Spitze des Verfassungsschutzes waren von der zunehmenden Bedrohung durch Islamisten geprägt. Hier hat er oft Schlimmeres verhindern können, etwa als seine Leute rechtzeitig dem Syrer Dschaber al-Bakr auf die Spur kamen, der in Chemnitz im Oktober 2016 den Sprengstoff TATP hergestellt hatte. Oder als sie jüngst in Köln einen Anschlagsplan mit dem Giftstoff Rizin aufdeckten.

Gleichzeitig ist Maaßen von Beginn an so viel an die Öffentlichkeit gegangen wie keiner seiner Vorgänger. Offensiv hat er die Verdienste seiner Behörde herausgestrichen, offensiv hat er aber auch jene bekämpft, die ihm die Deutungshoheit darüber streitig machen wollten.

Hohes Ansehen in der Welt der Sicherheitsbehörden

Als geheime Daten über den Haushalt des Verfassungsschutzes auf der Internetseite Netzpolitik.org auftauchten, zeigte sein Bundesamt zwei Blogger wegen Landesverrats an. Der Fall ging bis zum damaligen Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hinauf, der sich verständnislos zeigte und für die Pressefreiheit der Blogger starkmachte; der damalige Generalbundesanwalt Harald Range verlor über diesen Streit sein Amt.

Wenn nun zwischen Kanzleramt und Maaßen in den vergangenen Wochen eine Kluft sichtbar geworden ist, dann ist dies nicht die Geschichte einer Entfremdung. Man war sich schon immer fremd. In der Welt der Sicherheitsbehörden genießt Maaßen Ansehen, zumindest auf den höheren Hierarchieebenen hörte man zuletzt viel Lob, gerade für seine Haltung gegen die Flüchtlingspolitik.

Der ehemalige BND-Chef Gerhard Schindler dürfte ein realistisches Bild gezeichnet haben, als er der Bild-Zeitung am Montag sagte, viele dort würden wegen Merkel "heute ihren Dienst mit der Faust in der Tasche" versehen. Maaßen war ihr wichtigster Lautsprecher.

Wenn Maaßen als Staatssekretär doch für Sicherheit zuständig würde, dann käme er freilich schon am nächsten Dienstag wieder ins Kanzleramt: in der "Lage" würde er nur einen Stuhl weiterrücken.

© SZ vom 19.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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