Künast gegen Ampelkoalition:Fantasie ist überflüssig

Renate Künast hat die Koalition mit der FDP bereits ein Jahr vor der Wahl eindeutig abgelehnt. "Viel zu früh", schreien die Kritiker - dabei macht ein Blick auf die Ziele der Partei schnell klar, dass ein Bündnis mit den Liberalen nicht nur schwierig, sondern unmöglich ist.

Christoph Hickmann, Berlin

Renate Künast hat im vergangenen Jahr versucht, Regierende Bürgermeisterin von Berlin zu werden, dabei aber derart viele Fehler gemacht, dass Klaus Wowereit noch immer Bürgermeister ist (ob "regierend", da ist man sich nicht so sicher). Einer dieser Fehler war, sich ein Bündnis mit der CDU stets offenzuhalten und erst kurz vor der Wahl auszuschließen. Was das Spiel mit Koalitionsoptionen angeht, ist Künast eine gebrannte, eher noch: verbrannte Kandidatin.

Herbstklausur der Grünen

Renate Künast hat sich mit ihrer Koalitions-Aussage wenig vorzuwerfen: Sie hat lediglich gesagt, was Sache ist.

(Foto: dpa)

Die Fraktionschefin der Grünen bewirbt sich gerade um einen der beiden Spitzenplätze ihrer Partei für den Bundestagswahlkampf. Wahrscheinlich wollte sie deshalb möglichst früh beweisen, dass sie aus Berlin gelernt hat. Jedenfalls hat sie nun eine Ampelkoalition mit SPD und FDP bereits ein Jahr vor der Wahl in einer Eindeutigkeit ausgeschlossen, die jeder notariellen Prüfung standhielte. Und das sehen nun auch wieder viele als einen Fehler an.

Viel zu früh!, sagen solche Menschen, man dürfe sich nicht allein auf Rot-Grün kaprizieren, die Umfragen gäben das nicht her, es fehle dann die Machtoption, man müsse sich Spielräume erhalten. Das ist rein machtpolitisch alles nicht falsch, trotzdem geht es weit an der Ampel-Frage vorbei. Es lohnt sich, stattdessen mal nachzuschauen, was der Grünen-Parteitag vor einem knappen Jahr so beschlossen hat.

Die Grünen wollen den Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent erhöhen sowie eine Vermögensabgabe einführen und damit um die 100 Milliarden Euro einnehmen. Sie wollen die Abgeltungsteuer abschaffen, also Einkünfte aus Kapital wieder genauso (hoch) besteuern wie Einkommen aus Arbeit, außerdem sollen reiche Erben künftig mehr zahlen. Die Grünen werden im Wahlkampf für Steuererhöhungen werben, und zwar für ziemlich happige.

Künast hat gesagt, was Sache ist

Das macht ein Bündnis mit der FDP nicht schwierig, sondern unmöglich. Da können sogenannte Strategen noch so oft darauf hinweisen, dass Rainer Brüderle ja in Mainz schon mal mit Kurt Beck regiert und Christian Lindner eine stark ausgeprägte (wenn auch bislang eher verborgen gebliebene) sozial-liberale Ader habe. Es hilft nicht mal der Einwand, die FDP fordere ja immerhin keine Steuersenkungen mehr. Erstens ist das so, als tätschele man einem pubertierenden Partyveranstalter anerkennend die Schulter, weil er morgens um fünf dann doch die Musik abgedreht hat. Zweitens ist "nicht senken" etwas anderes als "massiv erhöhen".

Und die SPD? Die will, nur mal als Beispiel, einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent und auch sonst mehr Geld von denen, die genug davon haben. Eine der wichtigsten Fragen des Wahlkampfs wird somit sein, was man unter Staat versteht und wie man diesen Staat finanziert. Die Trennlinie zwischen SPD und Grünen (und ja, auch der Linkspartei) auf der einen sowie Union und vor allem FDP auf der anderen Seite wird sich da ganz von allein ziehen.

Renate Künast hat weder eine strategische Glanzleistung vollbracht noch einen schlimmen taktischen Fehler gemacht. Sie hat gesagt, was Sache ist.

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