Küken:Weiter so?

Richter bestätigen juristisch ein System, das ethisch krank ist.

Von Jan Heidtmann

Es ist ein Urteil wider die Intuition. Weil es intuitiv nicht in Ordnung sein kann, dass Leben, kaum geboren, abgetötet wird. Doch Jahr für Jahr werden in Deutschland 50 Millionen männliche Küken vergast. Sie würden keine Eier legen, ihr Fleisch würde keinen Profit bringen, sie sind unnütz. Nordrhein-Westfalen wollte diese Praxis verbieten, doch die Landwirte haben dagegen geklagt. Nun hat das Oberverwaltungsgericht Münster ihnen recht gegeben - das Kükentöten kann weitergehen.

Der Rechtsstreit ist nur ein Verfahren in einem ewigen politischen und juristischen Streit. Es geht um die Frage, ob die wirtschaftlichen Interessen der Brütereien ein "vernünftiger Grund" sind. Im Tierschutzgesetz heißt es, dass nur in dem Fall ein Tier ungestraft getötet werden darf. Bislang haben fast alle Gerichte so geurteilt wie das in Münster. Sie bestätigen damit juristisch ein System, das ethisch krank ist. Die Produktion von Eiern und Hühnerfleisch ist inzwischen so weit getrieben, dass Effizienz alles ist und das Tierwohl kaum noch etwas zählt.

Die Frage ist nur, wer dafür letztlich verantwortlich ist. Als 1999 das Bundesverfassungsgericht darüber urteilte, ob die Haltung in Legebatterien rechtens sei, stellte der damalige bayerische Landwirtschaftsminister Josef Miller lapidar fest: "80 Prozent der Verbraucher sind gegen die Käfighaltung, aber 80 Prozent der Verbraucher kaufen Eier aus Käfighaltung." Leicht abgewandelt, ist diese Einschätzung noch heute richtig.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: