Süddeutsche Zeitung

Kühnert vs. Kuban:"Wie eine Spielgemeinschaft aus Dortmund und Schalke"

Lesezeit: 2 min

Von Clara Lipkowski, Berlin

Wie können CDU und SPD als klassische Volksparteien weiterbestehen? Was die Ergebnisse der jüngsten Wahlen in Landtagen und im Bundestag gezeigt haben: Sie stecken in einer tiefen Krise. Um diese Krise drehte sich am Montagabend eine Diskussion zu der die Berliner Landes-CDU in die Zentrale am Wittenbergplatz eingeladen hatte. Und zwar zwei Nachwuchspolitiker, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Kevin Kühnert (SPD) und Tilman Kuban (CDU).

Kühnert, Chef der Jusos, Berliner, bezeichnet sich als Sozialist und kann sich vorstellen, Unternehmen wie BMW zu kollektivieren. Kühnert gibt sich auf der Bühne oft nachdenklich, redet lieber über Gemeinschaft als über den Einzelnen. Neben ihm: Tilman Kuban aus Niedersachen, Chef der Jungen Union, redet gerne salopp, ein Konservativer, dem die BMW-Idee ein Graus ist, und der lieber mit digitalen Dienstleistungen Bürokratie abbauen will und sich für die Rente mit 70 ausgesprochen hat. Der Saal: übervoll. Rund 200 Zuhörer waren gekommen, alt, jung, ziemlich durchmischt, einige harrten im Flur aus.

Politik erklären mit Fußballvergleichen

In einem waren sich Kühnert und Kuban einig: Die alten Volksparteien CDU und SPD seien heute zu wenig unterscheidbar, vor allem aber sei ihre Politik schlecht kommuniziert worden. Kuban sprach von der Zuwanderung im Jahr 2015. Wählern sei auf der einen Seite vermittelt worden, für Straßenausbau und Toiletten in Schulen gebe es kein Geld. "Dann kommen eine Million Menschen und plötzlich ist Geld da". Das habe eine Neiddebatte ausgelöst, sagte Kuban. Kühnert widersprach zum Teil: Damals seien aber auch schlicht "unappetitliche" Haltungen von Menschen zum Vorschein gekommen. Er fand, vielmehr würden politische Begriffe wie "soziale Marktwirtschaft" missverständlich benutzt. Den Begriff gebraucht Dietmar Bartsch im pragmatischen Teil der Linken genauso wie der FDP-Chef Christian Linder, doch darunter verstünden die Parteien unterschiedliches.

Politik also besser erklären, auch inhaltlich, so der Tenor. Und da auf dem Podium zwei saßen, die sich gerne als große Sportfreunde zu erkennen geben, dauerte es dann auch nicht lange, bis einer einen Fußballvergleich bemühte. Eine Partei sei ein Verein und die Große Koalition "eine Spielgemeinschaft aus Borussia Dortmund und Schalke 04." meinte Kühnert zur Erheiterung des Publikums. "Da ist man Fan einer Mannschaft, von der man die eine Hälfte super findet und die andere ist eigentlich der Gegner." Und weiter: "Jetzt schießen die gemeinsam ein Tor, das Gute-Kita-Gesetz zum Beispiel." Doch die Freude daran, sei ein bisschen getrübt, denn den Erfolg habe man nicht alleine. Und diese Wirkung dürfe man nicht unterschätzen. Kühnerts Ablehnung der Großen Koalition ist bekannt.

Tore, über die sich beide Mannschaften nicht recht freuen können

Unterschiede der beiden zeigten sich denn auch in den Zielen: Es müsse mehr über Bildung geredet werden, sagte Kühnert, sein Herzensthema bleibe die Daseinsvorsorge und er wünsche sich mehr Kontrolle des Staats über die Märkte. Kuban dagegen drängt auf eine Verwaltungsreform, Entlastungen von der Grunderwerbssteuer, damit junge Menschen sich Eigentumswohnungen leisten können. Im Klimaschutz müssen man vielmehr auf Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe setzen, befand er.

Und wie steht es nun um die Volksparteien? Die Gesellschaft polarisiere zunehmend, sagte Kuban, es gebe inzwischen viel stärkere Außenpole auf der linken (Grüne) wie rechten Seite (AfD), das Land wieder einen, das sei es, was seine Partei leisten müsse. Kühnert drückte es etwas direkter aus: Auf "zehn, 15 Prozent mindestens" müsse eine Partei schon kommen, um sich Volkspartei nennen zu können. Alles andere wäre "auf Dauer ein bisschen lachhaft". Bei der jüngsten Bundestagswahl hatte die SPD mit 20,5 Prozent ihr schlechtestes Wahlergebnis eingefahren. In Thüringen kamen die Sozialdemokraten auf 8,2 Prozent.

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