Kuba und die USA:"Die USA sind Imperialisten - ich ziehe trotzdem hin"

Youths sit on Havana's El Malecon seafront bolulevard

Junge Kubaner am Malecón, der Küstenstraße von Havanna. Manche freuen sich über die Annäherung an die USA, andere halten sie für gefährlich.

(Foto: REUTERS)

Juan hofft auf schnelles Internet und amerikanische Rockmusik, Miguel ist überzeugt: Die USA sind der Feind. Acht Kubaner über den großen Nachbarn im Norden.

Von Benedikt Peters

Ist die Annäherung an die USA die Rettung oder der Untergang Kubas? Das Tauwetter zwischen Havanna und Washington erreicht mit dem Besuch von Barack Obama auf der sozialistischen Karibikinsel seinen vorläufigen Höhepunkt. Die Kubaner sind in zwei Lager gespalten: Hier die Hoffnungsvollen, da die Misstrauischen. Die einen hoffen auf ein besseres Leben - auf bessere Löhne, auf mehr Konsumgüter, auf Internet zu Hause. Die anderen fürchten, dass der Kapitalismus die kubanische Gesellschaft zerfrisst - oder dass den USA nun gelingt, was sie seit der gescheiterten Invasion der Schweinebucht 1961 immer wieder versucht haben: Kuba zu unterwerfen.

Vergangenen Sommer, kurz nachdem die US-Botschaft in Havanna wieder eröffnet worden war, hat die SZ junge "Habaneros" getroffen, wie die Hauptstadtbewohner auf der Insel genannt werden. Bei geschlossenem Fenster und mit gedämpfter Stimme sprachen sie darüber, was sie über die USA und das neue Tauwetter denken. Sie studieren Fremdsprachen, Geschichte oder marxistisch-leninistische Philosophie - und auch sie sind hin und her gerissen. Ihre Namen sind geändert - denn offen über die USA reden kann man in Kuba nicht, schon gar nicht in westlichen Medien.

Miguel, 23, studiert marxistisch-leninistische Philosophie

"Die USA sind für mich das Land der Verlogenheit. Sie haben uns zuerst als Kolonialherren beherrscht. Dann haben sie uns gegenüber eine feindliche Politik betrieben, jahrzehntelang. Mit dem Wirtschaftsembargo - in Kuba nennen wir es nur "die Blockade" - haben sie das Leben in Kuba lahm gelegt, bis heute. Aber sie haben uns nicht klein gekriegt. Es hat ziemlich lange gedauert, bis sie das kapiert haben. Jetzt machen sie auf einmal auf gut Freund. Sie reichen uns die Hand. Ich weiß nicht, bis zu welchem Punkt sie das ernst meinen. Ich weiß auch nicht, was dieser Obama in seinem Oval Office plant. Aber eins kann ich sagen: Kuba ist wachsam."

Yolanda, 24, studiert Deutsch

"Kuba ist völlig kaputt. Die Gebäude, die Industrie - nicht einmal die Landwirtschaft funktioniert. Und das, obwohl sie immer die Lebensgrundlage von uns Kubanern war. Die neuen Beziehungen mit den USA sind gut. Denn wir brauchen jemanden, der uns unterstützt. Die USA sind eine Supermacht, sie können Kuba wieder aufpäppeln. Sie müssen uns ja nicht gleich wieder beherrschen. Ich glaube gar nicht, dass sie das wollen. Ich habe zwei Freundinnen aus Mexiko und Costa Rica, die mir gesagt haben: Pass nur auf, in acht oder zehn Jahren wird sich in Kuba alles verändern. Acht oder zehn Jahre? Viel zu lang! Ich hoffe, dass es schneller geht."

Yanelvis, 22, studiert marxistisch-leninistische Philosophie

"Es mag sein, dass Kuba den USA viel vorzuwerfen hat. Zumindest sagen das die Kommunistische Partei und die kubanischen Massenmedien. Die USA sind für sie noch immer der Feind. Aber, wenn ich ehrlich bin, mit dem Herzen fühle ich anders. Wenn ich Touristen aus den USA sehe, hier auf den Straßen Havannas, dann denke ich nicht: ,Aaaaah, ich will diese Leute hier nicht haben' (lacht). Manche denken das, aber ich finde es etwas ignorant. Man muss trennen zwischen den Leuten eines Landes und ihrer Regierung. Und zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Jetzt haben neue Zeiten begonnen."

Randy: "Ich werde in die USA gehen"

Randy, 31, studiert Jura

"Ich bin zwiegespalten. Die Außenpolitik der USA ist imperialistisch und absolut verwerflich. Aber die Lebensbedingungen drüben sind sehr, sehr gut. Die Wirtschaft, die Industrie, das funktioniert in den USA alles. Und hier funktioniert nichts. Letztes Jahr habe ich eine Austauschstudentin kennengelernt, sie kommt aus dem US-Bundesstaat Maine. Ich werde sie heiraten und mit ihr in die USA gehen. Ich ziehe also gewissermaßen zu den Imperialisten. Denn hier sehe ich einfach keine Perspektive mehr."

Sofia, 23, studiert Geschichte

"Die USA sind das Zentrum des Kapitalismus - und der Kapitalismus macht mir Angst. Er gibt einem viele Möglichkeiten, aber er nimmt sie einem auch schnell wieder weg. Wir Kubaner wissen nicht, wie sich das anfühlt. Wir wissen ja nicht einmal, wie man Steuern zahlt. Die USA bedeuten für mich Modernität, genau das Gegenteil von hier, wo dir so eine einfache Sache wie Busfahren Kopfschmerzen bereitet. Ich würde gern einmal hinfahren, das Land besuchen - aber wohnen wollte ich dort nicht."

Luis, 24, studiert Marxismus-Leninismus

"Ich glaube, dass Kuba Veränderung braucht. Seit Jahren wirkt das Land auf mich wie gelähmt, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Aber um diese Veränderungen zu erreichen, hätte ich mir jedes andere Land als Partner gewünscht, nur nicht die USA. Die USA sind das Gegenteil von dem, das ich für mein Leben will. Ich glaube, viele denken ähnlich. Wir wollen keinen Turbokapitalismus, wir wollen uns nicht ausbeuten lassen, nicht so viel arbeiten. Und wir wollen uns nicht über die Maßen bereichern, so wie das viele Leute in den USA wollen. Sie arbeiten zu viel und leben zu wenig."

Hernán, 23, studiert Geschichte

"Kuba tanzt gerade mit zwei Mädchen: Hier tanzt es Cha-Cha-Cha mit Venezuela, dort tanzt es Salsa mit den USA. Bald wird es sich für eine der beiden entscheiden müssen - und ich hoffe, dass es die USA sein werden. Ich fühle mich nicht bedroht von den USA. Viele in meiner Generation sehen das genauso. Wir würden uns hinsetzen mit den Amerikanern, eine gute Zigarre rauchen und gemeinsam einen Rum trinken. Die Wirtschaftsbeziehungen mit den "Yanquis", wie wir sagen, könnten dazu führen, dass hier endlich mal etwas voran geht."

Juan, 23, studiert Geschichte

"'Die USA', das existiert für mich nicht. Im Moment, unter Obama, sieht es so aus, als sei alles gut und als könnten sich Kuba und die USA annähern. Wenn aber im Herbst ein Republikaner ins Weiße Haus gewählt wird, kann sich das ganz schnell ändern. Die republikanischen Kandidaten, die noch im Rennen sind, sind Kuba feindlich gesinnt. Sie sind Extremisten, sie wollen keine Beziehungen mit uns. Auch bei der CIA, denke ich, gibt es nach wie vor Leute, die sich damit beschäftigen, wie sie Kuba kleinhalten können. Ich hoffe deswegen, dass Hillary Clinton gewählt wird und die Annäherung weitergehen kann. Wenn sich die Wirtschaft hier gut entwickelt, gibt es vielleicht auch bald Internet in den kubanischen Häusern. Dann könnte ich mehr US-amerikanischen und englischen Rock herunterladen. Der gefällt mir viel besser als die kubanische Musik."

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