Süddeutsche Zeitung

US-Außenpolitik:Fakten auf den letzten Metern

Kurz vor der Amtsübergabe setzt die US-Regierung Kuba auf ihre Terrorliste und torpediert die Wiederannäherung an Teheran. Es dürfte vor allem darum gehen, Trumps designiertem Nachfolger Joe Biden die Hände zu binden.

Von Paul-Anton Krüger und Benedikt Peters

US-Präsident Donald Trump hat sich nach dem Sturm auf das Kapitol im Weißen Haus verschanzt. Doch sein Außenminister schafft in den letzten Tagen der Amtszeit des Präsidenten Fakten. Er setzte das sozialistische Kuba wieder auf die Liste jener Staaten, die nach Ansicht der USA den internationalen Terrorismus fördern. Und er kündigte an, die von Iran unterstützte aufständische Huthi-Miliz in Jemen zur Terrororganisation zu erklären.

Beide Entscheidungen passen in die Agenda der Trump-Regierung, erwecken wenige Tage vor dem Machtwechsel in Washington aber den Eindruck, dass es vor allem darum geht, Trumps designiertem Nachfolger Joe Biden die Hände zu binden. Kuba war 2015 unter Präsident Barack Obama von der Liste gestrichen worden, auf der sonst nur Syrien, Iran und Nordkorea stehen.

Die erwartete Wiederannäherung mit dem Regime in Teheran versucht Pompeo mit einer Flut von Sanktionen zu erschweren. Hilfsorganisationen warnten vergeblich vor den möglichen Folgen für das Bürgerkriegsland Jemen. Sie fürchten, die US-Sanktionen könnten die Lieferung humanitärer Güter noch weiter erschweren. Der US-Außenminister weist das zurück. Die Entscheidung werde dazu beitragen, den Konflikt zu beenden, sagte Pompeo am Sonntag - was Diplomaten aus anderen westlichen Ländern bezweifeln.

Das Vorgehen gegen Kuba begründete Pompeo damit, dass Havanna Terroristen beherberge: einerseits Kämpfer der kolumbianischen ELN - einer Guerilla, die gegen die kolumbianische Regierung kämpft, aber geschwächt ist. Zum anderen unterstütze Kuba ehemalige Kämpfer der Farc, einer weiteren kolumbianischen Guerilla, die offiziell die Waffen niedergelegt hat. Auch gewähre Kuba etwa der Black-Power-Aktivistin Assata Shakur Unterschlupf, die wegen der Tötung eines Polizisten in New Jersey 1973 verurteilt worden und später aus dem Gefängnis geflohen war.

Es zeigen sich Unstimmigkeiten in Pompeos Argumenten

Zudem unterstütze Kuba den venezolanischen Despoten Nicolás Maduro, "den Würgegriff gegenüber der Bevölkerung aufrechtzuerhalten", sagte Pompeo. Kuba habe Geheimagenten und Soldaten nach Venezuela geschickt, um Maduro an der Macht zu halten. Havanna hat das stets dementiert, nach Ansicht mehrerer Experten gilt die Anwesenheit kubanischer Agenten in Venezuela aber als sicher.

Bei genauer Betrachtung zeigen sich in Pompeos Argumenten Unstimmigkeiten: Die kolumbianischen Kämpfer halten sich vor allem deshalb in Kuba auf, weil die Regierung dort Friedensverhandlungen zwischen den Guerillas und dem Staat organisiert hat. Im Fall der ELN sind sie gescheitert, Kuba sieht sich aber weiterhin in der Vermittlerrolle. Mit dem gleichen Argument hätte Washington auch Sanktionen gegen Norwegen verhängen können, das ebenfalls schon Friedensgespräche ausgerichtet hat. Kubas Rolle in Venezuela und der Aufenthalt Shakurs, den Havanna als "politisches Asyl" bezeichnet, sind zudem seit Jahren bekannt.

Für Kuba, das sich wegen der US-Sanktionen, der Corona-Pandemie und einer Währungsreform in einer tiefen Krise befindet, ist es ein zusätzlicher Schlag. Banken und Versicherungen können nun noch weniger Geschäfte mit dem Land abwickeln, was die Rezession verschärfen könnte. Für Trump könnte es darum gehen, die Exilkubaner in Florida noch weiter für sich und die Republikaner einzunehmen. Sie feiern ihn seit Jahren für seinen harten Kurs gegen die Insel.

Trumps Nachfolger Biden, der schon als Vizepräsident unter Barack Obama eine kubafreundliche Politik betrieb, dürfte das Land wieder von der Liste entfernen. Das aber wird einige Monate dauern, da ein formales Prüfungsverfahren notwendig ist.

Unklar ist, ob Biden die Listung der Huthis rückgängig machen wird. Pompeo begründete sie mit Minenattacken auf Tanker im Persischen Golf und im Roten Meer sowie grenzüberschreitenden Angriffen. Das ist auch für eine demokratische Regierung nicht einfach von der Hand zu weisen. Biden könnte sich vor allem auf die Appelle der humanitären Helfer stützen oder Bemühungen, den lahmenden Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. Allerdings hat er klargemacht, dass Saudi-Arabien mehr Druck zu gewärtigen hat. Riad kämpft an der Seite der international anerkannten Regierung gegen die Huthis - teilt vor allem aber den bisherigen harten US-Kurs gegenüber Iran.

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