Kuba:Parlamentswahl leitet das Ende der Ära Castro ein

  • Wie immer seit Gründung der sozialistischen Republik stand das Ergebnis der Parlamentswahl in Kuba schon vorher fest.
  • Und doch leitet sie diesmal etwas Neues ein: Voraussichtlich im April soll ein neuer Staatschef gewählt werden.
  • Raúl Castros wahrscheinlicher Nachfolger ist Miguel Díaz-Canel, ebenfalls ein strammer Parteikader.

Von Benedikt Peters

Kuba hat ein neues Parlament gewählt. Das ist an sich noch keine Nachricht. Denn wie auch bei allen anderen Wahlen seit Gründung der sozialistischen Republik stand das Ergebnis schon vorher fest: Es gewann wie immer der Partido Comunista de Cuba (PCC), die Kommunistische Partei, andere Parteien waren nicht zugelassen. Für jeden der 605 Abgeordnetensitze gab es genau einen Kandidaten. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 79 Prozent.

Und doch ist dieses Mal etwas anders. Die Parlamentswahl vom Sonntag läutet die letzte Phase eines Umbruchs ein, der - zumindest von der politischen Symbolik her - kaum größer sein könnte. Denn der Staatsrat, den die kubanischen Abgeordneten nun wählen werden, wird voraussichtlich Mitte April zusammentreten und einen neuen Staatschef bestimmen.

Dieser Staatschef wird nicht mehr den Namen Castro tragen. Raúl Castro, der Bruder des Ende 2016 verstorbenen Revolutionsführers Fidel, wird sich von der Staatsspitze zurückziehen. Viele Kubaner können sich kaum vorstellen, wie sich das anfühlen wird. Die Castros regieren das Land seit Januar 1959. Wer sich an die Zeit davor erinnern kann, ist mindestens sechzig Jahre alt.

Niemand hat das Land so sehr geprägt wie die beiden Brüder. Weder José Martí, der Nationalheld aus dem zweiten Unabhängigkeitskrieg, noch Che Guevara, der Revolutionär. Beide werden noch heute von vielen Kubanern verehrt wie Heilige, was auch damit zu tun haben mag, dass sie - anders als Raúl (86 Jahre) und Fidel (2016 im Alter von 90 Jahren verstorben ) - einen frühen Tod fanden.

Unterstützung der Bevölkerung

1956 waren die Castros gemeinsam auf einer Jacht von der mexikanischen Küste aus nach Kuba übergesetzt und hatten sich mit einer Handvoll Rebellen daran gemacht, das Land zu erobern. Sie wollten Kuba von dem Diktator Fulgencio Batista befreien, erklärten sie. Batista war eine Marionette der USA, der die Bevölkerung tyrannisierte und viele im Elend darben ließ. Kaum jemand hat damit gerechnet, dass die Castros keine drei Jahre später im Triumphzug in Havanna einziehen würden. Und erst recht nicht, dass sie das Land danach fast 60 Jahre lang regieren würden. Allein schon wegen ihrer tiefen ideologischen Feindschaft zum kapitalistischen Nachbarn USA schien das unvorstellbar.

Dass ihnen das dennoch gelungen ist, hat nur zu einem Teil damit zu tun, dass die Castros mitten im Kalten Krieg ein Bündnis mit der Sowjetunion geschmiedet haben. Sie haben es auch verstanden, sich die Unterstützung breiter Teile der Bevölkerung zu sichern, zumindest in den ersten Jahrzehnten ihrer Herrschaft.

Die Castros haben das Land mit Schulen und Krankenhäusern überzogen

Anders als es in manchen westlichen Medien dargestellt wird, waren Fidel Castro und später sein Bruder keine dumpfen Diktatoren. Die Castros haben - einerseits - viel für die kubanische Bevölkerung getan. Sie haben das Land mit Schulen, Universitäten und mit Krankenhäusern überzogen, die jeder Kubaner kostenlos besuchen darf. Sie haben sowohl den Analphabetismus wie auch die Kindersterblichkeit nahezu ausgemerzt. Und sie haben viel früher als andere mit Kampagnen gegen Diskriminierung gekämpft, sei es gegenüber Frauen oder gegenüber der afrokubanischen Bevölkerung. Der Anteil weiblicher Abgeordneter im kubanischen Parlament etwa betrug zuletzt 49 Prozent - ein Wert, von dem viele westliche Demokratien nur träumen können, auch die deutsche.

Andererseits aber haben die Castros zuverlässig über die Jahrzehnte hinweg die politischen Freiheiten ihrer Bürger mit Füßen getreten. Die kubanische Opposition ist heftigen Drangsalierungen ausgesetzt, wer protestiert, wird nicht selten ins Gefängnis geworfen. Eine freie Presse gibt es nicht, Bücher regimekritischer Autoren sind häufig verboten. So gesehen haben sich die Castros dem Diktator Batista durchaus angenähert, von dem sie die Insel einst befreiten.

Der relative Wohlstand, den viele Kubaner noch aus früheren Zeiten kennen, liegt inzwischen in weiter Ferne. Die Castros haben es nicht geschafft, auf den Wegfall der Wirtschaftshilfe nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine auch nur ansatzweise angemessene Antwort zu finden. Daran ändern weder die zeitweisen Subventionen aus Venezuela noch die Einnahmen aus dem Tourismussektor etwas. Und auch nicht die vorsichtigen kapitalistischen Reformen, die Raúl Castro seit 2010 eingeführt hat. Sie sind zu zögerlich, als dass sie vielen Kubanern wirklich helfen könnten.

Von einem Internetanschluss können viele nur träumen

Mit dem Abtritt Raúl Castros endet die Ära der Revolutionäre, die den sogenannten Befreiungskampf noch selbst erlebt haben. Sie würden aussterben "wie die Dinosaurier", das hat Fidel selbst kurz vor seinem Ableben prophezeit. Tatsächlich haben die Castros den Kubanern in gewisser Hinsicht ein vorzeitliches Land hinterlassen. Eines, in dem man von so grundlegenden Dingen wie Internetanschlüssen für die normale Bevölkerung nur träumen kann. In dem noch immer häufig, wenn auch nicht ausschließlich, Autos aus den vierziger und vor allem fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts herumfahren und in dem die Fassaden der kolonialen Häuser vor sich hinbröckeln, bis sie einstürzen.

Dass sich an alledem etwas ändert, ist nicht gerade wahrscheinlicher geworden, seitdem Donald Trump im Weißen Haus sitzt. Er hat den Annäherungskurs seines Vorgängers Barack Obama weitgehend beendet, der Kuba mehr Wohlstand und Öffnung hätte bringen können. Das gefiel aber vielen Exilkubanern nicht, die vor den Castros in die USA geflüchtet sind und die traditionell den Republikanern zuneigen.

Auch von Raúl Castros wahrscheinlichem Nachfolger sind in Sachen Liberalisierung keine Großtaten zu erwarten. Er heißt Miguel Díaz-Canel, ist 57 Jahre alt und damit zwar deutlich jünger als Castro. Aber er ist auch ein strammer Parteikader - und hat klargemacht, dass er mit kommunistischen Traditionen nicht brechen will. Mögliche Reformbestrebungen verurteilte er bereits vorab als "konterrevolutionär" - eines der schlimmsten Schimpfwörter im sozialistischen Sprachgebrauch. Auch für die gegängelte Opposition sieht es daher nicht so aus, als brächen nach den Castros bessere Zeiten an.

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