Süddeutsche Zeitung

Kuba:Mit den Waffen des Klassenfeindes

Das Land führt in bestimmten Läden den US-Dollar wieder ein.

Von Benedikt Peters

Die Redewendung "den Gegner mit den eigenen Waffen schlagen" existiert im Deutschen wie im Spanischen. Gut möglich, dass sie kürzlich einem Regierungsmitarbeiter in Havanna in den Sinn kam. Das kommunistische Kuba ist in den vergangenen Wochen in eine tiefe Versorgungskrise gerutscht - vor allem, weil die USA immer härtere Sanktionen gegen die Insel verhängen. Nun versucht Havanna, sich mit den Mitteln des Gegners wieder aus der Krise herauszuwinden. Genauer gesagt: mit dessen Zahlungsmitteln. Vor wenigen Tagen führte die kubanische Regierung ausgerechnet den US-Dollar wieder ein, wenn auch in engen Grenzen.

Es ist noch nicht lange her, da wirkte es, als stünden die Zeichen zwischen Havanna und Washington nach Jahrzehnten der Erzfeindschaft endlich auf Versöhnung. Die damaligen Staatschefs Raúl Castro und Barack Obama tauschten ab 2013 mehrfach Handschläge aus, die Länder eröffneten wechselseitig Botschaften. US-Touristen kamen in Scharen nach Kuba. Seit aber Donald Trump im Weißen Haus sitzt, ist die alte Feindschaft wieder da. Er belegt die Insel fortwährend mit Strafen, die Touristen bleiben weg - und damit auch die Devisen. Diese bräuchte Kuba jetzt aber so sehr wie nie, da der sozialistische Bruderstaat Venezuela nur noch mit sich selbst beschäftigt und die eigene Wirtschaft wie eh und je schwach ist. In Kuba mangelt es inzwischen an Essenziellem, an Speiseöl und Mehl etwa und an Benzin.

Die Not aber hat gerade die Kubaner immer schon erfinderisch gemacht, daher nun also die Idee der Regierung mit dem US-Dollar. Vor wenigen Tagen eröffnete sie in Havanna, in Santiago und in einer Handvoll anderer Städte sogenannte "Dollarläden". Die Kubaner können dort Tiefkühltruhen, Waschmaschinen und andere technische Geräte kaufen, manchmal auch Ersatzteile für Autos. Besonders beliebt sind Klimaanlagen, was angesichts der Temperaturen auf der Insel nicht verwundert.

Einzige Bedingung: Die Kunden müssen in Dollar oder in einer anderen harten ausländischen Währung bezahlen. Im Gegenzug bietet die Regierung die Waren viel günstiger an, als das bisher in den staatlichen Läden der Fall war, in denen man nur mit der eigenen kubanischen Devisenwährung CUC bezahlen konnte. Eine Klimaanlage vom Typ "Split" etwa, für die man auf Kuba sonst umgerechnet locker 600 Dollar berappen musste, ist nun schon für 360 zu haben. Entsprechend lang sind die Schlangen vor den Dollarläden. Manche kampierten dort schon Tage, bevor sie öffneten.

Für die gut betuchten Kubaner, die sich solche Preise leisten können, etwa, weil die Verwandten aus dem Exil Geld schicken, sind die Dollarläden eine gute Nachricht. Für die kubanischen Maultiere aber sind sie schlecht. Als Maultiere werden in Kuba nicht nur Vierbeiner bezeichnet, sondern auch diejenigen, die privat in andere Länder fliegen, um von dort Klimaanlagen und andere Geräte auf die Insel zu schaffen. Sie sind Teil eines Importsystems, das von Exilkubanern dominiert wird und dessen Erträge meist im Ausland bleiben. Das kann sich der Staat nun nicht mehr leisten - und die Maultiere werden sich wohl einen neuen Job suchen müssen.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2019
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