Süddeutsche Zeitung

Kuba:Im Energiesparmodus

Eine neue Konfrontation und Sanktionen von US-Präsident Donald Trump treffen die Ölversorgung des Landes - und erschweren damit den Alltag der Menschen.

Von Benedikt Peters

Wenn die Kubaner von den goldenen Zeiten sprechen, dann meinen sie die Siebziger- und Achtzigerjahre. Sie erzählen dann, wie gut sie damals gelebt haben - und wie dann Anfang der Neunziger plötzlich alles zusammenbrach. Nach dem Fall der Sowjetunion, der Schutzmacht Kubas, gab es auf der Insel kaum noch Lebensmittel, Strom und so gut wie gar kein Benzin mehr. "Du konntest dich hier mitten auf die Fahrbahn legen und ein Schläfchen machen. Es kam einfach kein Auto mehr", so erzählte es mal ein älterer Mann aus Havanna.

Die Kubaner nennen die Zeit der existenziellen Krise, die das Land ab 1990 heimsuchte, "Periódo Especial", Sonderperiode. In diesen Tagen fühlen sie sich so stark daran erinnert wie lange nicht mehr - spätestens, seitdem Staatschef Miguel Diáz-Canel vor ein paar Tagen in einer Sondersendung im kubanischen Fernsehen erschien. Der Nachfolger von Raúl Castro sprach davon, dass die Energieversorgung nun wieder in einer tiefen Krise stecke. Die Regierung werde einige Notfallmaßnahmen anwenden, "die schon in der Sonderperiode erfolgreich waren". Strom und Diesel werden nun rationiert, energieintensive Industrien fahren die Produktion herunter. Büroangestellte sollen von zu Hause arbeiten, um Sprit zu sparen, und Busse fahren viel seltener als sonst. Kubaner berichten, wie sie stundenlang an Haltestellen stehen, um auf den nächsten Bus zu warten.

Die aktuelle Krise ist zwar deutlich schwächer als diejenige in den 1990er Jahren, als weite Teile der Bevölkerung Hunger litten, die Wirtschaft um mehr als ein Drittel schrumpfte und die Herrschaft der Castros so stark wackelte wie nie. Trotzdem sind es nicht nur ihre Symptome wie die Engpässe in der Energieversorgung, die an die Sonderperiode erinnern. Auch die Ursachen sind sich recht ähnlich.

Der angebliche Angriff auf US-Diplomaten galt wohl eigentlich Moskitos

Da ist zuallererst die neue Konfrontation mit den USA. Ausgelöst wurden die Engpässe nämlich dadurch, dass die US-Regierung Kubas Öllieferanten mit Sanktionen bedroht. Die Regierung in Havanna muss die Preise immer wieder neu verhandeln und wegen des Risikos, das die Lieferanten eingehen, häufig deutlich mehr bezahlen als den Weltmarktpreis. Für die zweite Septemberhälfte hat das Land nun keine Vertragspartner gefunden und muss deshalb rationieren. Nach Regierungsangaben kann Kuba nur 40 Prozent der Ölmenge fördern, die es selbst benötigt. Doch die Sanktionen gegen den Ölsektor sind nicht die einzigen Maßnahmen, mit denen US-Präsident Donald Trump den Kubanern das Leben erschwert. Die vorsichtige Annäherung, die sein Vorgänger Barack Obama betrieben hatte, hat er komplett zurückgedreht. Touristen aus den USA können mittlerweile nur noch auf Umwegen die Insel besuchen. Auch das schadet der Wirtschaft empfindlich, ebenso das generelle Verbot Washingtons, mit kubanischen Unternehmen Geschäfte zu treiben, an denen das Militär beteiligt ist. Das ist in Kuba bei vielen wichtigen Firmen der Fall. Am schlimmsten aber dürfte die Kubaner die Einschränkung der Geldüberweisungen aus dem Nachbarland im Norden treffen. Viele leben von den Summen, die Verwandte aus dem dortigen Exil schicken. Zusätzlich belastet wurde das Verhältnis durch mysteriöse Erkrankungen von US-Diplomaten in Havanna, sie klagten über Kopfschmerzen, Übelkeit und Sehstörungen; Washington witterte dahinter einen verdeckten Angriff der Kubaner. Eine kanadische Universität hat nun allerdings herausgefunden, dass die Symptome wahrscheinlich von einem Moskitospray herrührten, dass auf der Insel wegen des Zika-Virus eingesetzt wurde.

Eine weitere Parallele zur Krise der Neunzigerjahre ist, dass erneut Kubas größter Verbündeter ausfällt. Venezuela hat Kuba zwar nie so umfassend versorgt wie früher die Sowjetunion. Angesichts der üppigen Öllieferungen war es seit den 2000ern aber mit Abstand Kubas wichtigster Partner. In den vergangenen Jahren ist Venezuela aber selbst im Chaos versunken, es kann nicht einmal mehr die Bedürfnisse seiner eigenen Bürger befriedigen.

Außerdem hat die kommunistische Inselregierung früher wie heute viele eigene Fehler gemacht. In den letzten Jahren hat sie dezent wirtschaftsliberale Reformen angestoßen, diese aber nicht zu Ende gebracht. Die Konsequenz ist, dass es auch in den vergangenen Jahren immer wieder zu Engpässen kam, ob bei Lebensmitteln oder beim Strom. Die staatlichen Löhne sind nach wie vor so niedrig, dass sie nicht zum Leben reichen.

In der neuen Misere greift Staatschef Díaz-Canel daher zu einer Strategie, die auch schon den Castros half, wenn es einmal schwierig wurde. Im Fernsehen machte er ausschließlich die "feindliche Politik" der USA dafür verantwortlich - ein bewährtes Mittel, um von den eigenen Fehlern abzulenken.

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Quelle:
SZ vom 21.09.2019
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