Kuba: Fidel Castro:Der Chefkommandant ist zurück

Die Ära von Castro I. schien vorbei, als 2008 Castro II. den schwer kranken Fidel ersetzte. Doch plötzlich taucht Castro I. immer dann irgendwo auf, wenn sich anderswo etwas tut. Und die Parteizeitung "Granma" nennt Fidel Castro wieder Chefkommandant.

Peter Burghardt

Geburtstage des Máximo Líder waren auf Kuba vier Jahre lang rätselhafte Termine. Zu Fidel Castros 80. am 13. August 2006 fielen die Feiern aus, der Jubilar lag auf der Intensivstation. Kurz zuvor war der damalige Präsident wegen eines schweren Darmleidens notoperiert worden, nachdem er beim Revolutionsfeiertag vom 26. Juli 2006 mit eiserner Disziplin noch zwei Reden gehalten hatte.

Former Cuban leader Fidel Castro attends a meeting of the National Assembly in Havana

Plötzlich taucht Fidel Castro immer dann irgendwo auf, wenn sich anderswo etwas tut, oft sogar in Militärkluft.

(Foto: REUTERS)

Die meisten Landsleute und der Rest der Welt konnten nur ahnen, wie schlecht es ihm ging. Lebte er noch? Nachrufe wurden vorbereitet. Bruder Raúl übernahm die Geschäfte. Vor dem 81., 82. und 83. Geburtstag war der Patient dann vereinzelt in Klinikhemd und später Trainingsanzug zu sehen, sein Zustand blieb Staatsgeheimnis. Am Freitag wird der bärtige Patron 84 Jahre alt und wirkt so gesund wie lange nicht. Der fidele Fidel tritt neuerdings wieder jeden zweiten Tag auf und gab gerade bekannt, er sei "vollständig erholt".

Wie konnte das sein? Die spanische Zeitung El País machte sich kürzlich darum verdient, Krankheit und Genesung zu rekonstruieren. Demnach litt der ewige Revolutionär unter einer Entzündung und Blutungen des Dickdarms. Noch in der Nacht zum 27. Juli 2006 wurde er operiert und brauchte in 72 Stunden acht Liter Blut, 20 Konserven. Laut dieser Version wurde ihm ein Stück Darm entfernt, einen künstlichen Ausgang ersparten ihm die Ärzte um seinen Leibchirurgen Eugenio Shelman.

Komplikationen wie Fistel und Bauchfellentzündung brachten ihn an den Rande des Todes, sieben Monate lang wurde Fidel Castro künstlich ernährt. Doch der Mann, der Hunderte von Attentaten überstanden haben soll, bezwang fürs erste auch die Natur und legte eine verblüffende Wiedergeburt hin. "Sein Wille ist unbeugsam", staunte der argentinische Soziologe Atilio Borón, einer seiner Besucher.

Aber was passiert jetzt? Die Ära von Castro I. schien ja vorbei zu sein, als 2008 Castro II. Staatschef wurde. Für die einen war das eine Erleichterung für die anderen ein Drama. Plötzlich taucht Fidel immer dann irgendwo auf, wenn sich anderswo etwas tut, oft sogar in Militärkluft. Seine überraschende Rückkehr in die Öffentlichkeit begann, als vor einem Monat 52 Dissidenten aus Gefängnissen entlassen wurden. Zufall? Danach debattierten Beobachter über jene Reformen, die man seit dem offiziellen Machtwechsel immer erwartet hatte. Raúl Castro, 79, gab Anfang August vor dem Parlament bekannt, dass sich nicht näher genannte Berufszweige selbständig machen dürfen, warnte aber Feinde des Sozialismus. Viele Kubaner hatten sich noch mehr erhofft, die darbende Wirtschaft braucht dringend Impulse.

Comandante en Jefe

Fidel Castro traf sich derweil mit Jungkommunisten, darunter Elián González, um dessen Heimholung aus Miami er sich vor zehn Jahren erfolgreich mit Washington gestritten hatte. Er dozierte über USA, FBI, Afghanistan, WikiLeaks - und bestätigte seinen Triumph über die Erkrankung: "Vor kurzem habe ich meine letzten Schlachten geschlagen, um mich so zu fühlen, wie ich mich heute fühle." Und wandte sich der Schöpfung zu: "Die Menschheit kann nicht die Gelegenheit verpassen zu überleben, mit all dem, was sie heute weiß."

Wer also hat auf der Insel das letzte Wort? Raúl Castro machte sich kürzlich über Spekulationen lustig und beschied: "Die Einheit zwischen den Revolutionären, der Revolutionsführung und der Mehrheit der Kubaner ist die wichtigste strategische Waffe." Raúl ist Staatschef, Fidel KP-Vorsitzender und Abgeordneter. Die Parteizeitung Granma nennt Fidel Castro wieder Comandante en Jefe, Chefkommandant, er trage das olivgrüne Hemd "der tausend Schlachten". Weil Details in der kubanischen Symbolik wichtig sind, fällt aber auch auf, dass die Sterne des Oberbefehlshabers auf den Schulterklappen fehlen.

Seine Kolumnen schreibt der wichtigste Autor des Eilands wie gehabt als "Compañero Fidel", Genosse Fidel. Während seiner Absenz schrieb der Chefkommandant seine Memoiren über die Rebellion vor fünfzig Jahren. Teil eins: "Der strategische Sieg." Außerdem hebt der Oberlehrer wie früher die brüchige Stimme und den rechten Zeigefinger, wenn er dem Volk die Welt erklärt, so auch kürzlich im Parlament. Aber er sprach "kurz", wie dem US-Außenministerium auffiel. Und er erwähnte Kuba kaum. Das Orakel aus Havanna warnt lieber vor einem Atomkrieg um Iran. Wegen "der kriegerischen Politik des Imperiums", der USA, sei eine nukleare Attacke eine ernsthafte Gefahr, es gebe indes "noch Hoffnung, uns zu retten". Barack Obama müsse überzeugt werden. Der Erzrivale USA bleibt Castros Obsession.

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