Kuba:Deutschland soll von Kubas Öffnung profitieren

Kuba: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel trifft auf Kubas Außenhandelsminister Rodrigo Malmierca und wirbt für den "bodenständigen Mittelstand".

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel trifft auf Kubas Außenhandelsminister Rodrigo Malmierca und wirbt für den "bodenständigen Mittelstand".

(Foto: Yamil Lage/AFP)

Bei seiner Reise will Sigmar Gabriel deutschen Firmen das sozialistische Land schmackhaft machen. Doch viele Unternehmer sind noch skeptisch.

Von Michael Bauchmüller, Havanna

Deborah Rivas steht vor einer Aufgabe, die eigentlich keiner lösen kann. Der Plan sieht vor, dass sie Kapital organisieren soll, im Auftrag der kommunistischen Partei. "Wir haben gemerkt, dass wir ohne ausländisches Kapital unsere Ziele nicht erreichen können", sagt Rivas, und auf einer Powerpoint-Folie über ihrer Schulter, die wahrscheinlich nicht Powerpoint heißen darf, weil Powerpoint ja aus Amerika kommt, auf dieser Folie blitzt gerade der Slogan ihrer Abteilung auf: "Cuba - place to invest and do business".

Rivas ist Chefin jener Abteilung im kubanischen Handelsministerium, die ausländische Investoren an den Ort der Geschäfte locken soll. "Es gibt überhaupt keine Grenzen für ausländisches Kapital", wirbt sie. So weit ist es gekommen auf der letzten Insel des Sozialismus.

Auch Gabriel war mal ein Fan Che Guevaras - doch das ist lange her

Seit Raúl Castro, der Bruder des Revolutionsführers Fidel, sein Land vorsichtig öffnet, geben sich auf Kuba die Delegationen die Klinke in die Hand. Im Oktober waren innerhalb eines Monats 25 Gruppen zu Besuch, Unternehmen aus aller Welt. Ihren Vortrag kennt Rivas inzwischen auswendig, er handelt von niedrigen Steuersätzen, einer Sonderwirtschaftszone, den 328 Projekten, für die Havanna gerne ausländisches Geld hätte. "Wir müssen die Investoren dazu bringen, sich in Kuba zu verlieben", sagt Rivas.

Verliebt haben sich in Kuba schon ganz andere. Antiamerikanisten etwa, denen Fidel Castros Kampf gegen die Kapitalisten in Washington imponierte. Oder die Freunde von Che Guevara, für die der Karibikstaat die letzte Hoffnung auf real existierenden Sozialismus war, für manche bis heute. Auch der Sozialdemokrat Sigmar Gabriel war einmal so ein glühender Fan Che Guevaras, aber das ist lange her. Heute führt der Wirtschaftsminister eine der Delegationen, die Kuba auf dem Weg in die Marktwirtschaft helfen will. Und das am besten zugunsten deutscher Firmen.

Fünf Dutzend davon sind mit ihm nach Kuba gereist, jetzt lauschen sie in einem 84 Jahre alten Hotelsaal den Worten Rivas. Das Hotel ist fast so alt wie Staatschef Raúl Castro, den Gabriel nach eigenen Angaben zu Ende seines Besuchs noch treffen sollte. In ihrem Vortrag ist Rivas beim Hafen Mariel angelangt, der jüngsten Charmeoffensive Kubas. Rund um den Hafen soll ein riesiges Industriegebiet entstehen, und das zu Sonderkonditionen. Die niedrige Unternehmensteuer soll dort lange auf null sinken, die Arbeitskräfte sind günstig. Ein moderner Hafen ist schon fertig, "mit dem zweitlängsten Kai Lateinamerikas", schwärmt Rivas. Was sie nicht sagt: Für die größten Frachter ist er nicht tief genug.

Einmal noch Havanna sehen, bevor "überall Starbucks und Mc Donalds sind"

Das hat schon fast Methode, denn Kuba will und will nicht. Von der "Aktualisierung" seiner Wirtschaftspolitik spricht Havanna, nicht etwa vom "Umbau". Ein Jahr nach der Annäherung zwischen Kuba und dem Erzfeind USA ist überall Aufbruch und gleichzeitig Angst, sollen Öffnung und Zurückhaltung Hand in Hand gehen. Wie das eben so ist, wenn eine kommunistische Partei das Kapital will, aber den Kapitalismus fürchtet. Ausgerechnet der Staat, gegen den sich Kuba abschottete, könnte das Land nun überrollen: die USA.

Bislang verhindern das noch Exil-Kubaner in Miami zusammen mit den Republikanern. Sie sperren sich gegen die Aufhebung des Embargos, mit dem bis heute jedes Unternehmen bestraft wird, das mit Kuba Geschäfte betreibt - den US-Markt kann es dann vergessen. Die eigenen Landsleute lässt das Embargo Kuba nur bereisen, wenn sie etwa ein wissenschaftliches Interesse vorschieben können. Tausende solcher Wissenschaftler in Shorts bevölkern die Karibik-Insel jetzt schon.

Sollte aber das Embargo fallen, etwa nach einem Wahlsieg der Demokraten im November, dann erwarten viele eine Bonanza (Aufschwung) auf Kuba. Da will die deutsche Wirtschaft nicht fehlen. "Es ist wichtig, dass wir hier sind, bevor es richtig losgeht", sagt Martin Wansleben, der Chef des Deutschen Industrie- und Handelstages. Sonst machten andere die Geschäfte. Und nicht zufällig preist Gabriel in allen Variationen den bodenständigen deutschen Mittelstand, der eben "nicht auf den schnellen Euro oder Dollar" aus sei. Wer könnte bloß den schnellen Dollar wollen?

"Sonne, Sand und Socialismo"

Einstweilen schrecken aber die meisten Unternehmen zurück, auch die meisten jener 60, die in Gabriels Tross sind. Sie hören sich Rivas Vortrag an - interessehalber. Der kubanische Markt ist klein, die Bürokratie aber ist groß. Personal stellt eine staatliche Arbeitsagentur bereit, die an jedem Gehalt ordentlich mitverdient.

Ausgetretene Pfade gibt es noch nicht im Reich der Castros, stattdessen soll nun erst einmal ein deutsches Wirtschaftsbüro Verbindungen knüpfen - wenn es denn je eröffnet wird, denn bislang stehen alle möglichen Hemmnisse im Weg; bis hin zu der Frage, ob die nötigen Büromöbel zu verzollen sind und wer die Mitarbeiter auswählt.

Wenn die Liebe zu Kuba entflammt, dann ist es jedenfalls keine auf den ersten Blick.

Unterdessen lassen sich Touristen in alten Buick-Cabrios durch Havanna kutschieren. Die Ami-Schlitten, lange Ausdruck des Mangels an neueren Autos, sind Folklore geworden. Die Tour führt die Besucher auch zu dem riesenhaften Che-Guevara-Konterfei am Platz der Revolution, für ein schnelles Selfie - mit Handys, die zehn der elf Millionen Kubaner noch nicht haben. "Viele wollen noch hin, bevor sich alles ändert", sagt der Münchner Reiseunternehmer Ingo Meyr, einer der 60 Begleiter Gabriels. "Bevor überall Starbucks und McDonald's sind." Und auch der SPD-Reiseservice lädt noch einmal ins alte Kuba, Titel: "Sonne, Sand und Socialismo". Besuch in Fidel Castros Geburtshaus inklusive.

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