USA und Kuba:Annäherung in Trippelschritten

USA - Kuba

Seit 1953 residieren US-Diplomaten an Havannas Uferpromenade Malecón. Doch erst seit Kurzem darf sich das Gebäude offiziell US-Botschaft nennen.

(Foto: Ernesto Mastrascusa/dpa)
  • Die Annäherung zwischen Kuba und den USA gestaltet sich langsamer als gedacht.
  • Noch während der Präsidentschaft von George W. Bush hatten sich die USA mit Kubas früherem Staatschef Fidel Castro noch eine Fehde wie im Kleingarten geführt.

Von Boris Herrmann

Mehr als 50 Jahre Eiszeit gehen nicht an einem Tag zu Ende, klar. Die USA und Kuba beenden ihren kalten Kleinkrieg nun aber schon seit 35 Wochen, seit Barack Obama und Raúl Castro in koordinierten Fernsehansprachen die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen ankündigten.

Seither gab es mehrere Verhandlungsrunden, jedoch keine gemeinsame Erklärung. Die beiden Präsidenten schüttelten sich auf neutralem Platz in Panama die Hände, ein offizielles Gipfeltreffen wurde aber noch nicht angekündigt. Obama hat Kuba von der Liste jener Staaten streichen lassen, die aus Sicht der USA den Terror unterstützen, das Embargo gilt indes immer noch.

Die Kubaner lassen sich derweil alle Zeit der Welt mit der Vergabe von Lizenzen für jene Schifffahrtsgesellschaften, die von den Amerikanern längst den Auftrag erhalten haben, den Fährbetrieb zwischen Florida und Havanna zu organisieren. Es geht Schritt für Schritt voran, aber die Schritte sind kleiner als viele das in der ersten Euphorie vielleicht vermutet hatten.

Die US-Vertretung darf wieder so heißen, der Botschafter noch nicht

Wie kompliziert die Sache mit der Friedensdiplomatie ist, lässt sich schon an der Jobbeschreibung von Jeffrey DeLaurentis ablesen, dem ranghöchsten US-Diplomaten auf kubanischem Boden: "Chargé d'Affaires at the Embassy of the United States in Cuba". Das ist durchaus eine leichte Vereinfachung gegenüber dem Titel, den er bis vor Kurzem trug: "Chief of Mission of the United States Interests Section of the Embassy of Switzerland in Havana, Cuba."

Nachdem die USA und Kuba 1961 ihre diplomatischen Beziehungen abgebrochen hatten, übernahm die Schweiz das amerikanische Schutzmachtmandat, zuletzt eher formell. Auch das geht jetzt zu Ende. Seit einigen Wochen darf die US-Interessenvertretung der Schweizerischen Botschaft in Havanna wieder US-Botschaft heißen, das bedeutet aber noch lange nicht, dass der Interessenvertreter wieder ein Botschafter ist.

Fehde wie in der Kleingartenkolonie

Nun steht also ein weiterer Trippelschritt auf dem Weg zu Normalität an. US-Außenminister John Kerry kommt nach Havanna, um dem Haus, in dem DeLaurentis residiert, ein Fähnchen aufzusetzen. Dann werden an der Uferpromenade Malecón wieder die Stars and Stripes wehen.

An Fahnenmasten mangelt es dort wahrlich nicht. Im Februar 2006 hat der damals noch politisch aktive Fidel Castro ganze 138 Stück aufstellen lassen, die waren allerdings nicht als Einladung an die Amerikaner gedacht, um das Gelände mit ihren Farben zu schmücken. Es war vielmehr der Höhepunkt einer surrealen Propagandaschlacht, die sich viele Jahre lang vor der US-Interessenvertretung in Havanna abspielte. Das erinnerte bisweilen an eine Nachbarschaftsfehde, wie man sie aus Kleingartenkolonien kennt, bloß dass sich hier die Regierungen zwei souveräner Staaten immer neue Streiche ausdachten, um die anderen zu ärgern.

Castros sogenannter "Monte de las Banderas" (Berg der Fahnen) war die Replik auf eine Idee aus dem Hause des damaligen US-Präsidenten George W. Bush. Die Idee bestand darin, Freiheitsbotschaften an das kubanische Volk zu versenden, mittels eines gigantischen LED-Laufbandes, das an den Fenstern des fünften Stocks der Interessenvertretung angebracht wurde. In manchen Nächten war dort, selbstverständlich auf Spanisch, zu lesen: "Wie schade, dass alle Menschen, die wüssten, wie man dieses Land regiert, Taxi fahren oder Haare schneiden."

Fidel Castro konterte zunächst mit Großanzeigen, die Passanten daran erinnern sollten, dass Bush nicht eben als großer Freiheitskämpfer bekannt war, er wurde unter anderem als Vampir abgebildet. Als dem kubanischen Revolutionsführer die roten Laufbuchstaben endgültig zu bunt wurden, ließ er den Monte de la Banderas errichten, der als Mahnmal für kubanische Opfer des US-Terrorismus' deklariert wurde. Angenehmer Nebeneffekt: 138 schwarze Fahnen versperrten die Sicht auf Bushs Sprüche.

An dem Militärdiktator Batista hatte sich in Washington nie einer gestört

Es hatte alles einmal so nett angefangen mit der mächtigen US-Außenstelle am Malecón. Die Star-Architekten Wallace Harrison und Max Abramovitz, die auch das CIA-Hauptquartier in Langley entworfen hatten, wurden Anfang der Fünfziger für ihr Werk gefeiert. Mit seinen klaren Linien galt es als Vorzeigeprojekt der Moderne. 1953 zog der US-Botschafter ein. Damals waren die Beziehungen zu Kuba noch bestens, an dem Militärdiktator Fulgencio Batista hat sich im Weißen Haus nie einer gestört. Der Ärger begann erst, als Batista 1959 von Castro und seinen bärtigen Freunden verjagt wurde.

Fidel Castro hat dieses Haus, wohl nicht ohne Grund, stets für die Stabstelle der CIA in Havanna gehalten. Ende der Neunziger ließ er draußen auf der Straße eine legendäre Plakatwand anbringen, auf der ein bestens gelaunter Guerillero einem grimmigen Uncle Sam die lange Nase zeigt: "Werte Imperialisten, wir haben nicht die geringste Angst vor euch", stand da. Das war aber nur das Vorspiel zu Castros Plan, das gesamte Areal im edlen Stadtteil Vedado zum "Anti-Imperialismus-Platz" umzubauen, mit einer Bronzestatue des kubanischen Nationalhelden José Marti, der anklagend in Richtung US-Trutzburg zeigt.

Die Gegenseite reagierte auf die Provokation mit einem großen Banner auf dem bloß "75" stand - die Anzahl der politischen Gefangenen des Castro-Regimes. Kuba schlug mit einer Collage aus Hakenkreuzen und Bildern von Folteropfern aus Abu Ghraib zurück.

Erst als die heimlichen Freunde Obama und Raúl Castro die Geschäfte übernahmen, verlor der bizarre Streit an Schärfe. Die Amerikaner montierten die LED-Schirme ab und die Kubaner zogen die schwarzen Flaggen ein. Inzwischen oxidieren die 138 Fahnenmasten am Malecón friedlich vor sich hin - vielleicht das eindrucksvollste Denkmal des schwierigen Wandels, der sich gerade vollzieht.

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