Bundeswehr:KSK soll wieder Missionen übernehmen

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KSK-Soldaten sollen bald wieder auf Missionen gehen. (Foto: Franziska Kraufmann/dpa)

Die in Verruf geratene Eliteeinheit ist nach Ansicht des Generalinspekteurs der Bundeswehr bald einsatzbereit - obwohl ihre Reform noch läuft und viele Fragen offen sind.

Von Mike Szymanski, Berlin

Trotz laufender Ermittlungen, zahlreicher ungeklärter Fragen und inmitten eines Reformprozesses im Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr will das Verteidigungsministerium den Verband wieder auf Missionen schicken. "Ziel ist es, dem KSK noch im Laufe des ersten Halbjahres 2021 wieder eine stärkere operative Rolle zu übertragen", heißt es im zweiten Zwischenbericht zum Stand des Umbaus des Verbands nach dem Bekanntwerden rechtsextremistischer Vorfälle und dem Fehlen Zehntausender Munitionsartikel. Dazu gehöre auch die "stufenweise Wiederaufnahme der Einsätze".

Der Bericht stammt von Generalinspekteur Eberhard Zorn, dem ranghöchsten Soldaten der Bundeswehr. Das Dokument, das am Dienstagnachmittag an den Bundestag übermittelt wurde, liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

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Zorn zieht darin eine positive Zwischenbilanz und hebt den Umfang des Umbaus besonders hervor: Die bisher eingeleiteten Schritte kämen "faktisch einer Neuaufstellung des KSK gleich". Die Angehörigen des Verbandes würden den "Wandel aktiv mitgestalten". Zorn sieht bereits die Zeit gekommen, Einblicke in das "neue KSK" zu gewähren. Im Herbst begeht der Verband sein 25-jähriges Bestehen. Die "Phase der Konzentration des KSK auf sich selbst" gehe dem Ende zu, so Zorn. Diese Einschätzung verwundert, nachdem Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) noch am Monatsanfang, nach Bekanntwerden neuer, schwerwiegender Vorfälle abermals klargemacht hatte, dass sie über die Zukunft des KSK erst am Ende des Reformprozesses, im Sommer also, entscheiden werde.

Das Verhalten des Kommandeurs wird derzeit disziplinarisch geprüft

Anfang März wurde bekannt, dass im KSK über Jahre hinweg bei der Munitionsbewirtschaftung systematisch gegen "geltende Vorschriften und Verfahren" verstoßen worden sei. Diese seien "grundsätzlich nicht eingehalten worden", hieß es in internen Berichten der Bundeswehr aus dem Jahr 2020. Das Parlament wurde darüber erst unterrichtet, nachdem an die Öffentlichkeit kam, dass der Kommandeur des Kommando Spezialkräfte, Markus Kreitmayr, inmitten von Ermittlungen zu rechtsextremistischen Verdachtsfällen eine rechtlich umstrittene Sammelaktion von Munition angeordnet hatte.

Im Frühjahr 2020 hatten KSK-Angehörige die Möglichkeit erhalten, "anonym Munition, Kampf-, Sprengmittel und sonstige Munitionsteile abzugeben", die sich unberechtigt in deren Besitz befanden. "Aktion Fundmunition", hieß der Auftrag den Dokumenten zufolge. Er dauerte selbst dann noch an, nachdem bei einem Kommandosoldaten aus Sachsen im Mai 2020 im Garten ein Waffenversteck mit Munition und Sprengstoff gefunden worden war. Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer lässt das Verhalten des Kommandeurs derzeit disziplinarisch prüfen. Während dieser Vorermittlungen bleibe Kreitmayr auf seinem Kommandeursposten.

Die Probleme bei der Munitionsbewirtschaftung hatten bereits in der Zeit vor Kreitmayr bestanden, der Mitte 2018 das KSK übernahm. Dies zeigte sich anhand der Überprüfung früherer Inventuren. Demnach wurde Ende 2019 unter Kreitmayr das erste Mal seit Jahren ordnungsgemäß Munition gezählt. Dabei kamen die gravierenden Fehlbestände ans Licht. Dem Zwischenbericht zufolge wurden die Probleme erkannt. In dem aktuellen Bericht heißt es nun: "Hier ist das KSK auf einem guten Weg: So hat eine erste Inventur zu Beginn 2021 ein gutes Ergebnis mit nur einer Patrone Abweichung erbracht."

160 KSK-Soldaten verdienten nebenher Geld

Dafür zeigt das Dokument neue Schwachstellen auf, wo das Ministerium zusätzlichen Regelungsbedarf, mindestens aber Klärungsbedarf sieht. Über Jahre hinweg hat es laut Bericht "eigenmächtige" Auftragsvergaben aus dem KSK heraus gegeben, die gegen das Vergaberecht verstießen. 160 KSK-Soldaten verdienten nebenher Geld, acht mit Tätigkeiten im Sicherheitsgewerbe, etwa als Sprengmeister oder Trainer für Kampfsport. Andere jobbten im Supermarkt oder verdienten laut Übersicht mit Grabpflege zusätzlich Geld.

Mit dem Zwischenbericht wird auch klar, welches Ausmaß die Ermittlungen mit Blick auf rechtsextremistische Verdachtsfälle innerhalb des KSK mittlerweile angenommen haben. Ausgangspunkt war eine Abschiedsfeier des Chefs der 2. Kompanie im Jahr 2017, die längst traurige Berühmtheit als die "Schweinekopfparty" erlangt hat. Dabei soll Rechtsrock gehört und der Hitlergruß gezeigt worden sein. Bei einem der Teilnehmer war im Mai 2020 das Waffendepot auf dem Privatgrundstück gefunden worden. Dieser Vorfall hatte das KSK erst in die Existenzkrise gestürzt und die Ministeriumsspitze veranlasst, die Einheit zu durchleuchten. Auch die Vorgänge rund um die Schweinekopfparty wurden noch einmal untersucht.

Laut Bericht sind seit Mai vergangenen Jahres insgesamt 34 disziplinare Vorermittlungsverfahren im KSK neu aufgenommen worden. Sechs Vorermittlungsverfahren und 18 gerichtliche Disziplinarverfahren aus der Zeit vor Mai 2020 wurden fortgesetzt. Insgesamt sind im Zuge der Ermittlungen bislang 309 Zeugen vernommen worden. Die 2. Kompanie ist im Sommer 2020 aufgelöst worden.

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