Süddeutsche Zeitung

Kommando Spezialkräfte:Vetternwirtschaft in der Wüste?

Die Eliteeinheit der Bundeswehr trainierte mehrfach in Namibia für Kampfeinsätze. Daran verdiente angeblich ein ehemaliger Soldat der Einheit. Das Verteidigungsministerium wittert Misswirtschaft.

Von Martin Kaul, Hannes Munzinger und Reiko Pinkert

Wenn die Eliteeinheit der Bundeswehr für ihre Einsätze trainiert, dann sollen die Bedingungen realistisch sein. Ganz so wie in den Kriegs- und Krisengebieten, in denen die Soldaten des "Kommando Spezialkräfte", kurz KSK, regelmäßig zum Einsatz kommen. Beispielsweise um deutsche Staatsbürger aus Geiselnahmen zu befreien oder Terroristen festzusetzen.

Deshalb trainieren die Soldaten des KSK auch immer wieder in Hochgebirgen oder Wüstenregionen. Ein wiederholtes und beliebtes Ziel der Truppe war in der Vergangenheit eine Ranch in der Wüste Namibias, die von einem Mann betrieben wurde, der einst selbst Mitglied der Eliteeinheit gewesen war.

Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR prüft das Bundesverteidigungsministerium nun, ob es dabei zu Verstößen gegen vergaberechtliche Bestimmungen gekommen ist. Kurzum: ob ein alter Freund der Truppe für die lukrativen Aufträge bevorzugt wurde. Darüber hinaus wird die gesamte Vergabepraxis von Aufträgen für das KSK durchleuchtet.

Zuletzt gab es rechtsextreme Umtriebe in der Truppe

Das in Calw stationierte KSK war im vergangenen Jahr immer wieder im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Verdachtsfällen in der Einheit in die Schlagzeilen geraten. Zudem wurde bekannt, dass in den Depots des Kommandos 62 Kilogramm Sprengstoff und 48 000 Schuss Munition vermisst wurden. Ein Teil davon stellte sich inzwischen als Buchungsfehler heraus, von 13 000 Schuss fehlt bis heute aber jede Spur. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte als Konsequenz aus den Vorfällen eine Reform der Einheit angestoßen und eine von vier Einsatzkompanien aufgelöst, in der es zu rechtsextremen Umtrieben gekommen war. Sollte die Reform nicht gelingen, drohte Kramp-Karrenbauer mit einer Auflösung des Kommandos in seiner bisherigen Form.

Den Anstoß für die systematische Aufarbeitung hatte der Fall des sächsischen KSK-Soldaten Philipp S. gegeben. In dessen Garten hatten Ermittler des sächsischen Landeskriminalamts mehrere Tausend Schuss Munition, Plastiksprengstoff und ein Gewehr vom Typ Kalaschnikow sichergestellt. Der Truppengeheimdienst MAD hatte der Polizei Hinweise gegeben, dass S. illegal Waffen und Munition horte und eine rechtsextreme Gesinnung aufweise. Gegen S. wurde inzwischen Anklage erhoben. Der Prozess soll Ende Januar vor dem Landgericht Leipzig beginnen.

Erst bot der Ex-KSK-Mann Safaris an

Im Rahmen einer Untersuchung der rechtsextremistischen Umtriebe des Soldaten S. stieß man auf den ehemaligen KSK-Soldaten in Namibia. Er hatte nach seinem Ausscheiden aus der Einheit im Jahr 2012 begonnen, in dem südwestafrikanischen Land Safaris anzubieten. Das einst von Deutschen kolonialisierte Namibia gilt als beliebtes Ziel für Großwildjäger. Der Mann soll aber nicht nur Safari-Touristen in Jeeps durch die Wüste gefahren, sondern auch ehemalige Kameraden zu privaten Aufenthalten mit Jagdausflügen eingeladen haben. So schildert es ein Ex-Kamerad.

Zwischen 2014 und 2019 wurde das Unternehmen des Ex-Soldaten dann mehrfach mit der Durchführung von offiziellen Ausbildungseinsätzen für das KSK beauftragt. Seine Erfahrung mit der grundsätzlichen Geheimhaltung aller Operationen des KSK und sein Zugang zu geeignetem Terrain machten ihn möglicherweise zu einem naheliegenden Auftragnehmer. Geübt wurde die "Landverlegung unter Extrembedingungen", also taktische Einsätze von Fahrzeugen und Personen unter den extremen Witterungsbedingungen in der Wüste.

Der Ex-Soldat wollte später nach Deutschland zurückkehren und bewarb sich erneut bei der Bundeswehr. 2019 erhielt er zunächst eine Zusage und sollte im August vergangenen Jahres seinen Dienst im KSK aufnehmen. Dazu kam es aber nicht mehr. Das Verteidigungsministerium war nach Erkenntnissen von SZ, NDR und WDR auf Hinweise zu einer möglichen rechtsextremen Einstellung des Mannes gestoßen. Diese Hinweise befand das Ministerium für ausreichend, um seine Einstellung zu verhindern. Weder das Ministerium noch der Ex-Soldat wollten auf Anfrage zu dem Fall Stellung nehmen.

Die Wehrbeauftragte fordert Aufklärung

Das Verteidigungsministerium überprüft unterdessen nicht nur diesen Fall, sondern die gesamte Vergabepraxis des Bundeswehr-Dienstleistungszentrums, das für die Beauftragung der KSK-Übungen zuständig ist.

Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Eva Högl (SPD), sagte auf Anfrage, es sei "nötig und absolut richtig, jegliche Form von Verflechtungen beim KSK im Hinblick auf Rechtsextremismus und mögliche Unregelmäßigkeiten zu durchleuchten". Dazu gehöre auch, die Vergabepraxis und mögliche wirtschaftliche Verflechtungen zu überprüfen. Sie begrüße, "dass im Verteidigungsministerium derzeit zügig und konsequent an Reformen gearbeitet wird". Bei der Aufklärung dauere aber vieles noch zu lange. Von dem konkreten Fall habe sie erst nach einer Presseanfrage erfahren.

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