Reparationsforderungen an Deutschland findet Krzysztof Ruchniewicz falsch. Knapp zwei Jahre ist es her, dass die damalige PiS-Regierung einen Bericht vorlegte, auf dessen Grundlage sie eine Forderung in Höhe von 1,3 Billionen Euro an die Bundesrepublik für die Verbrechen der NS-Zeit stellte. Der Breslauer Historiker zerlegte die Studie nach allen Regeln der Wissenschaft. Übrig blieb aus seiner Sicht: blanker Populismus. Und an die Deutschen die Mahnung: Nehmt eure Verantwortung wahr, kümmert euch! Und zwar ganz praktisch, schlug er vor, etwa mit Hilfszahlungen an noch lebende, ehemalige Zwangsarbeiter.
Ruchniewicz weiß, wovon er spricht. Der 57-Jährige hat in Deutschland studiert, seine Habilitationsschrift befasste sich mit polnischen Bemühungen um Entschädigung. Schon seine Doktorarbeit widmete er den Beziehungen Polens zu den beiden deutschen Nachkriegsstaaten. Und nun hat die neue Tusk-Regierung ausgerechnet Krzysztof Ruchniewicz zum Beauftragten für die polnisch-deutsche Zusammenarbeit ernannt. Ein Coup.
Was Ruchniewicz damals am meisten an dem PiS-Bericht störte: dass er verschwieg, wie viele Schritte auf dem Weg der Aussöhnung in den vergangenen Jahrzehnten schon gegangen wurden. Durch die katholische Kirche, Aktion Sühnezeichen, das Deutsch-Polnische Jugendwerk. Ruchniewicz selbst bemüht sich schon so lange um die Freundschaft der beiden Länder, dass es in Berlin auffiel: 2019 erhielt er für sein Engagement das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Als echter Freund übt Ruchniewicz auch ehrliche Kritik. Was ihm zum Beispiel noch nicht gefällt, ist der Entwurf für die Geschichtsdarstellung im geplanten Deutsch-Polnischen Haus in Berlin. Wer genau die Täter waren, bleibe im Ungefähren, sagt er beim Gespräch in einem Warschauer Café, und ebenso, wie viele der Täter nach dem Krieg straffrei in der Bundesrepublik ein normales Leben führen konnten. Es ist dezidiert Teil seiner Aufgabe, die polnischen Interessen in die Debatte um das Deutsch-Polnische Haus einzubringen.
Eine Frage bleibt offen: Muss er im neuen Amt Krawatte tragen?
Mit anderen Details seines neuen Postens – die Berufung kam im Juni – ist er noch nicht vertraut. Ein Büro habe er im Außenministerium, zu dem er nun gehört, noch nicht bezogen. Aber er könne wohl in Zukunft einen Besprechungsraum mit Keksen bestellen, scherzt Ruchniewicz.
Es ist eine Zusatzaufgabe für den Professor der Universität Breslau. Er wird in seiner Heimatstadt weiterhin lehren und das Willy-Brandt-Zentrum leiten. Ein Staatssekretär sei er nicht, betont Ruchniewicz und sinniert verschmitzt über die Frage, ob mit dem Anrecht auf Kekse eigentlich eine Pflicht zur Krawatte einhergehe.
Ruchniewicz hatte eine Art Vorgänger im Außenministerium, der sehr wohl den Status und die Bezüge eines Staatssekretärs hatte, in Polen gleichbedeutend mit stellvertretendem Minister. Arkadiusz Mularczyk, kein Historiker, sondern Jurist, war verantwortlich für jenen Reparationsbericht, und seine einzige Aufgabe war es, bei jeder Gelegenheit darüber zu reden. Damals hingen in den Straßen Warschaus sogar Plakate, auf denen in Anspielung auf die NS-Konzentrationslager auf Deutsch stand: „Reparationen machen frei – Ordnung muss sein“.
Die Empörung der PiS-Fraktion über Ruchniewiczs Berufung war also erwartbar. „Ein unglaublicher Skandal“ sei das, schrieb ein PiS-Abgeordneter auf seinem X-Kanal. Und zwar „sogar gemessen an den Standards dieser Bande“.
Ruchniewicz zuckt darüber nur die Schultern. Er sei übrigens ein doppelter Kreuzträger, sagt er dann. Denn er hat 2011 auch das Goldene Verdienstkreuz der Republik Polen erhalten für seine Verdienste um die Lehre. Wissen übereinander zu vermitteln, das wird auch in seiner neuen Aufgabe eine zentrale Rolle spielen. Schließlich ist Wissen die Grundlage für Verständnis.