War da was? Etwa die vorschnellen Beitritte Bulgariens und Rumäniens, die 2007 in die EU aufgenommen wurden, obwohl sie dafür weder politisch noch wirtschaftlich reif waren - und es sechs Jahre und etliche Milliarden Fördereuro später immer noch nicht sind? War da was mit Griechenland, das ebenfalls überfordert war im rauen Wettbewerb der EU und deswegen mit immer neuen Milliardenpaketen alimentiert werden musste?
Schaut nicht gerade die ganze Welt auf Zypern, jener vor allem bei reichen Russen und Ukrainern beliebten Insel mit ihren bisher gastfreundlich verschwiegenen Bankiers und Notaren, die nun mit vorerst zehn Milliarden Euro vor dem Kollaps bewahrt werden soll?
Die EU-Kommission hat nun den Weg frei gemacht für den Beitritt Kroatiens zur Union. Wer den Bericht liest, der wähnt sich in einer parallelen Welt: Nein, es gibt sie nicht, die versäumten Reformen und den ökonomischen Sturm, der seit Jahren in der EU tobt. Auf fünfzehn knappen Seiten stellt die EU Kroatiens angebliche Beitrittsreife fest.
Kroatien ist so gut wie nicht auf die EU vorbereitet
Tatsächlich ist Kroatien wie Griechenland immer noch ein von Klientelismus bestimmtes Land, mit zersplitterter Verwaltung, aufgeblähtem Staatssektor, einer nach viel zu zaghaften Reformen immer noch kaum funktionierenden Justiz, verbreiteter Korruption und einer auf die Herausforderungen der EU so gut wie nicht vorbereiteten, rückständigen Wirtschaft. All dies steht eindrucksvoll detailliert etwa in Berichten von Internationalem Währungsfonds und Weltbank, Transparency International oder den Vereinten Nationen. Die Kommission aber scheint das zu ignorieren.
Zu stark ist nicht nur dort der Wunsch, Europa auch weiterhin nicht an den politischen und vor allem auch wirtschaftlichen Realitäten zu messen. Europa ist vielmehr Wille und Vorstellung. Gewiss: Formell kann sich die EU auf den Standpunkt zurückziehen, dass nach geltendem EU-Vertrag alle Länder aufgenommen werden müssen, die demokratische Mindeststandards erfüllen. Von Wirtschaft ist in den Artikeln 6 und 49 nicht die Rede.
Es fehlt das Stehvermögen für ein Nein
Doch das ist eine faule Ausrede. Wo und wenn sie will, setzt die EU ihren wirtschaftlichen Willen längst durch - in Kroatien etwa bei der Privatisierung von Werften. Um ein ehrliches Resümee und vor allem auch die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, fehlt immer noch der Wille - nicht nur in Brüssel, sondern auch in Berlin.
Dort wird der Bundestag, der die Aufnahme Kroatiens als letzte mächtige Instanz noch verhindern könnte, dem Weg Zagrebs in die EU nun zustimmen. Privat geben manche Abgeordnete zu, dass sie Zagrebs Aufnahme für verfrüht halten. Politisch haben sie aber nicht das Stehvermögen für ein Nein, das Deutschland wieder gegen viele andere in Europa stellen würde. Auch anderen Balkanländern sendet Brüssel und Berlin damit die falsche Botschaft: Für den EU-Klubausweis sind unzureichende Reformen immer noch gut genug.