Kroatien:Plötzlich ein Königsmacher

Die neue kleine Reform-Partei Most entscheidet voraussichtlich, wer regiert.

Kroatien steht vor einer schwierigen Regierungsbildung. Aus der Parlamentswahl am Sonntag ging die rechtskonservative bisherige Oppositionspartei HDZ mit 59 Sitzen als stärkste Kraft hervor, die bislang regierenden Sozialdemokraten (SDP) erreichten 56 Mandate, teilte die Wahlkommission am Montag in Zagreb mit. Als wahrer Gewinner gilt aber die neue Partei Most (Brücke) mit ihrem Chef Božo Petrov. Sie trat zum ersten Mal zu einer Wahl an, erzielte auf Anhieb 19 Parlamentssitze - und ist als dritte Kraft nun in der Position des Königsmachers.

Weder die HDZ, die mit dem früheren Geheimdienstchef Tomislav Karamarko als Spitzenkandidat angetreten war, noch die SDP von Ministerpräsident Zoran Milanović könnten ohne eine Zusammenarbeit mit Most regieren. Milanović rief die Most auf, Gespräche über eine neue Koalition aufzunehmen. "Kroatien hat sich für eine Veränderung entschieden", sagte er. "Wir können es nicht alleine machen." HDZ-Spitzenmann Karamarko sagte: "Die Partei, die die meisten Stimmen gewonnen hat, muss Kroatien in die Zukunft führen. Most-Politiker allerdings haben schon vor der Wahl angekündigt, mit keiner von beiden koalieren zu wollen, und haben das nach der Wahl bekräftigt. "Most entscheidet" und "Ohne Most keine Regierung", fassten kroatische Zeitungen am Montag die nicht erwartete Sensation auf den Titelseiten zusammen.

Das Parlament in Zagreb hat 151 Sitze, einschließlich acht reservierter Mandate für Minderheitenvertreter, zur Mehrheit sind 76 Abgeordnetenmandate nötig. Eine große Koalition gilt als ausgeschlossen, weil HDZ und SDP politisch tief verfeindet sind. Sollte keine Einigung mit der drittstärksten Kraft möglich sein, könnten schon im Januar Neuwahlen anstehen, erwarteten kroatische Kommentatoren.

Der 36 Jahre alte Most-Spitzenkandidat Petrov kündigte in der Wahlnacht an, Most werde die Partei in einer Minderheitsregierung unterstützen, die ihr Reformpaket ohne Abstriche umsetzt. Sollte sie davon abweichen, werde sie gestürzt. Božo Petrov war Bürgermeister von Metković an der Adria, und hat dort den Stadthaushalt aufgeräumt. Nun will Most in Kroatien aufräumen. Kernstücke der vielen Reformpläne sind eine Justizreform, um die politischen Einflussnahme zu beenden, sie wollen den ausufernden Staatsapparat radikal verkleinern, die Verwaltung modernisieren und das System von Steuern und Abgaben verändern. Das entspricht dem, was die EU von Kroatien verlangt hat, schon vor dem Beitritt Mitte 2013.

Parliamentary elections

Sieger, aber nicht genug: Tomislav Karamarko von der HDZ feiert nach der Wahl in Kroatien, auch wenn er allein nicht stark genug ist.

(Foto: Antonio Bat/dpa)

Die beiden großen Parteien hatten seit einem Vierteljahrhundert die Regierung jeweils unter sich ausgemacht. Sie seien - abgesehen von unwichtigen ideologischen Unterschieden - im Kern beide konservativ, analysiert die Zeitung 24sata . In Kroatien gilt: alles für die Posten und Ämter", formulierte nach der Wahl der Most-Mann Stipe Perinka . SDP und HDZ seien reformunfähig, weil sie ein System errichtet hätten, das ausschließlich am Wohl der eigenen Funktionäre ausgerichtet ist. Es gehe bei jeder Regierung einzig und allein darum, ihre führenden Anhänger mit lukrativen Posten in der Staatsverwaltung und den Staatsbetrieben zu versorgen und zu belohnen.

Božo Petrov hatte sich in der Bürgerallianz Most mit anderen Lokalpolitikern organisiert. Die Reformpartei wird außerdem von Bürgern bestimmt, die genug haben von der Misswirtschaft der beiden großen Parteien. Petrovs größtes Startkapital sei seine junge, ehrliche und nicht kompromittierte Person", schrieb 24sata am Montag.

Neben den wirtschaftlichen Problemen des Landes spielte im Wahlkampf vor allem die europäische Flüchtlingskrise eine wichtige Rolle. Kroatien liegt auf der sogenannten Balkanroute, die Hunderttausende Asylsuchende auf ihrem Weg nach Mitteleuropa nutzen.

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