Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) hat mit einem Vorstoß, den Umgang mit der AfD in Teilen zu normalisieren, heftigen Widerspruch ausgelöst. „Wäre die AfD eine Oppositionspartei wie jede andere, käme Herr Spahn gar nicht auf die Idee, so was zu sagen. Ist sie aber nicht“, sagte Grünen-Co-Chefin Franziska Brantner der Süddeutschen Zeitung. Die AfD sei „eine destruktive, zum Teil gesichert rechtsextreme Organisation, die unsere demokratischen Freiheiten untergraben möchte“, warnte Brantner. Auch die Führung der Linken-Fraktion sprach sich gegen jede Annäherung aus. „Menschen wie Jens Spahn, die noch immer nicht begriffen haben, dass die AfD eine rechtsextreme Partei ist, die die Menschenrechte mit Füßen tritt und die Demokratie zerstören will, sind Teil des Problems“, sagt Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek der SZ.
Spahn hatte am Wochenende in einem Interview mit der Bild-Zeitung eine teilweise Normalisierung im Umgang mit der AfD empfohlen. Er sprach von Abläufen im Parlament, Verfahren in der Geschäftsordnung, in den Ausschüssen und der Berücksichtigung von Minderheits- und Mehrheitsrechten. „Da würde ich einfach uns empfehlen, mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen in den Verfahren und Abläufen, wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“, sagte Spahn. Wie die AfD im Parlament auftrete, sei häufig nicht bürgerlich, „wie da rumgeholzt wird, wie da rumgeschimpft wird“, sagte er. Gleichzeitig müsse man im Kopf haben, dass die AfD so stark sei, „weil Wählerinnen und Wähler uns was sagen wollten“. Deswegen gehe es darum, die „richtige Balance“ zu finden.
Warnungen des Verfassungsschutzes
Die AfD ist im Bundestag seit der Wahl im Februar mit mehr als 150 Abgeordneten die zweitstärkste Kraft. Sie verzeichnet derzeit in Umfragen Rekordwerte und liegt teils vor der Union. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall. Erst am Freitag hatte auch Bayerns Verfassungsschutz in einem neuen Bericht vor der AfD gewarnt: „Auch 2024 fanden sich Aussagen und Posts, die … auf eine Verletzung des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips abzielen“, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2024. Sie würden „das bestehende freiheitliche demokratische und rechtsstaatliche System der Bundesrepublik Deutschland verächtlich machen“.
Grüne und Linke sprechen sich nun erneut dafür aus, wichtige Ämter weiter nicht an die AfD zu vergeben. Die Partei sei „keine politische Konkurrenz wie jede andere, sie ist ganz klar der politische Gegner“, sagte Reichinnek. Die AfD habe das Recht, Kandidatinnen und Kandidaten für Ämter aufzustellen. Aber niemand habe die Pflicht, eine rechtsextreme Partei zu wählen. „Ich höre da weiter auf mein Gewissen und nicht auf Jens Spahn“, sagte die Linken-Fraktionschefin. Auch bei den Grünen zeichnet sich laut Fraktionskreisen ab, dass die Abgeordneten die Vergabe wichtiger Posten an die AfD ablehnen werden.
Spahn hatte in dem Interview zwar auch Bedenken geäußert, ob die AfD einen Posten für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten bekommen solle. Man müsse schon „die Mehrheit der Mitglieder des Bundestags hinter sich haben, um das vertreten zu können“, sagte Spahn. Ob das aber auch weiter für andere wichtige Posten gelten soll, blieb offen. Bisher haben die anderen Fraktionen keinen AfD-Kandidaten zum Bundestagsvizepräsidenten gewählt. Auch der Vorsitz von Ausschüssen blieb AfD-Abgeordneten nach mehreren Skandalen in der vorangegangenen Wahlperiode verwehrt, ebenso ein Platz im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr). Mit einem Sitz in diesem Gremium würde die AfD ausgerechnet jenes Bundesamt für Verfassungsschutz mit kontrollieren, das darüber entscheiden soll, ob die Partei insgesamt als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird.
Die AfD beklagt, sie würde von den amtierenden Vorsitzenden ungerecht behandelt. Sie klagte deswegen sogar vor dem Bundesverfassungsgericht. Das höchste deutsche Gericht wies die Organklagen jedoch ab.