Süddeutsche Zeitung

Kritik nach Pegida-Pressekonferenz:Einer, der an die Macht des Wortes glaubt

  • Frank Richter, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen, steht in der Kritik, weil er Pegida ein Gesprächsangebot gemacht hat.
  • Sein Lebenslauf zeigt, was ihn antreibt: Während andere in die Politik gingen, um Karriere zu machen, blieb Richter Jugendseelsorger und Pfarrer im Erzgebirge.

Von Jan Heidtmann

"Du, lass uns reden" - es war der Witz der 1980er-Jahre auf dem Schulhof. Karikiert wurden dabei mutmaßlich gefühlsduselige "Ökos", nur, um dem anderen gleich darauf doch noch eine mitzugeben. Frank Richter, 54, hat in den vergangenen Tagen auch einiges mitbekommen für sein "Lasst uns reden". Es war an die Pegida gerichtet, und als Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen hat er den Anführern der Demonstranten dazu noch einen Raum für ihre Ausführungen zur Verfügung gestellt. Die Empörung ist nun groß, "Das geht ja gar nicht", twitterte Grünen-Chefin Simone Peter, "die Landeszentralen sollen möglichst neutral sein und nicht etwa Bewegungen wie Pegida hofieren", sagte die Linke Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.

Und Richter? Macht unbeirrt weiter. "Ich hatte wenig Zeit, über die Reaktionen nachzudenken", sagt er. Aber er sei sich sicher, dass es richtig ist, mit Pegida zu sprechen. "Kommunikation kann schiefgehen. Nicht-Kommunikation wird schiefgehen." Es ist einer der Leitsätze, die sein Leben begleitet haben. Im sächsischen Meißen geboren, machte er sich im Herbst 1989 als Mitbegründer der "Gruppe der 20" einen Namen.

Diese war von den Demonstranten auf den Straßen Dresdens beauftragt worden, mit den lokalen SED-Funktionären zu verhandeln. Sein Geschick als Moderator, Schlichter und vielleicht auch ein bisschen als Seelsorger war daraufhin immer häufiger gefragt. Zum Beispiel, um wegen der regelmäßig wiederkehrenden Krawalle zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens 1945 zwischen Rechten und Linken zu vermitteln. Als er später einmal alle im Sächsischen Landtag vertretenen Parteien zu einer gemeinsamen Runde einlud, handelte er sich jede Menge Ärger ein. Denn die NPD war auch darunter.

Ein Raum für Pegida sei eine "absolute Ausnahme"

Damals folgte er zwar einer Vorgabe des Verwaltungsgerichts, aber Richter hält grundsätzlich nichts davon auszugrenzen. "Präventiv festzustellen, dass man mit dem anderen nicht reden kann - daran glaube ich nicht." Das gilt auch für die Menschen in Sachsen, in deren Nachbarschaft Flüchtlinge untergebracht werden sollen. "Kommune im Dialog" heißt die Veranstaltung, mit der die Landeszentrale durch diese Gegenden tourt.

Für seine Rolle als Vermittler ist Richter mehrfach ausgezeichnet worden, bis hin zum Bundesverdienstkreuz. Was ihn treibt, das macht vielleicht sein Lebenslauf in der Bundesrepublik klarer. Während viele seiner Mitstreiter in die Politik gingen, um Karriere zu machen, blieb Richter Geistlicher und arbeitete als Jugendseelsorger und Pfarrer im Erzgebirge.

Hilft Reden eigentlich immer? Auch angesichts der stumpfen Argumentation von Pegida? Dass er Pegida einen Raum gegeben habe, sei eine "absolute Ausnahme" gewesen, sagt Richter. Aber mit deren Anhängern zu reden, das versteht er auch als eine wesentliche Aufgabe der Landeszentrale. "Wenn der öffentliche Diskurs derart blockiert ist, kann man es doch nicht einfach dabei belassen."

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Quelle:
SZ vom 21.01.2015/kjan
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