Asylpolitik im WahlkampfScharfe Kritik an Merz’ Migrationsplänen

Lesezeit: 3 Min.

Im Spagat zwischen rhetorischer Härte und taktischen Formulierungen: Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz.
Im Spagat zwischen rhetorischer Härte und taktischen Formulierungen: Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz. (Foto: Christoph Reichwein/dpa)

Der CDU-Chef will Asylbewerber an deutschen Grenzen abweisen. Ein nationaler Notstand soll das ermöglichen. SPD und Grüne lehnen die Vorschläge ab – aber verhilft die AfD der Union zu einer Mehrheit?

Von Markus Balser, Georg Ismar und Vivien Timmler, Berlin

Nach dem tödlichen Messerangriff von Aschaffenburg will CDU-Chef Friedrich Merz noch vor der Bundestagswahl die Abweisung von Asylbewerbern direkt an den deutschen Grenzen durchsetzen. Die Unionsfraktion verschickte am Wochenende zwei Anträge an SPD, Grüne und FDP, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. CDU und CSU wollen nach der Tat eines afghanischen Staatsbürgers erreichen, dass bereits in dieser Woche im Bundestag darüber abgestimmt wird. Zugleich grenzt sich die Union scharf von der AfD ab, die zunächst eine Zustimmung zu den Plänen signalisiert hatte. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprach Merz wegen der geplanten Maßnahmen, die rechtlich gar nicht umsetzbar seien, die Regierungsfähigkeit ab.

Im ersten Antrag geht es um „Fünf Punkte für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration“. Die Union will mithilfe der Erklärung eines nationalen Notstands dauerhafte Grenzkontrollen und ein faktisches Einreiseverbot für Personen ohne gültige Einreisedokumente. Diese sollen „konsequent an der Grenze zurückgewiesen“ werden. Dies gelte unabhängig davon, „ob sie ein Schutzgesuch äußern oder nicht“ – also Asyl beantragen. Das könnte aber mit Europarecht kollidieren und Spannungen mit den Nachbarländern verursachen. Nach geltender Rechtslage müssen Migranten, die Asyl begehren, ins Land gelassen und ihr Antrag geprüft werden. Wer ausreisepflichtig ist, soll laut Union zudem künftig nicht mehr auf freiem Fuß bleiben dürfen und „unmittelbar in Haft genommen werden“. Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen „in einem zeitlich unbefristeten Ausreisearrest bleiben“, heißt es in dem Antrag von CDU/CSU.

In einem zweiten Antrag fordert die Unionsfraktion einen „Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit“. Das Papier umfasst 27 Punkte, darunter ein verbesserter Datenaustausch zwischen Sicherheitsbehörden und die umstrittene Speicherung von IP-Adressen. Aber auch mehr Befugnisse für Nachrichtendienste sowie härtere Strafen für jene, die Polizisten oder Rettungskräfte angreifen. Auch die Rolle der Bundespolizei soll gestärkt werden. Zudem will die Union gefährliche Körperverletzungen mit Waffen oder Messern grundlegend als Verbrechen ahnden und die Mindeststrafe für einfache Körperverletzung erhöhen.

Eine Mehrheit im Bundestag für die beiden Anträge gilt jedoch als unwahrscheinlich. Am breitesten dürfte die Zustimmung aus Reihen der FDP ausfallen. Merz hatte betont, dass es ihm egal sei, wer zustimme – es brauche jetzt eine Wende in der Migrationspolitik. Das hatte Vorwürfe geschürt, er nehme eine mögliche Mehrheit auch mithilfe von AfD-Stimmen in Kauf. Am Wochenende kam es zu Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern gegen rechts.

Gemäß dem Wortlaut der Anträge müsste die AfD sich allerdings selbst extremistische Tendenzen attestieren und einer Ausweitung der Verfassungsschutzbeobachtung zustimmen. So wird betont: „Wer die illegale Migration bekämpft, entzieht auch Populisten ihre politische Arbeitsgrundlage. Die AfD nutzt Probleme, Sorgen und Ängste, die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen.“ Diese Partei sei kein Partner, „sondern unser politischer Gegner“. AfD-Chef Tino Chrupalla sprach von „Diffamierung“. Offen ist dennoch, ob die AfD die Gelegenheit nutzt, mit der Union zu stimmen und so eine Mehrheit wahrscheinlicher zu machen.

„Nichts daran ist harmlos“, warnt Habeck

Kanzler Scholz griff wie weitere SPD-Politiker die Vorschläge von Merz scharf an. Was der Oppositionsführer da vorschlage, sei mit dem Grundgesetz und den europäischen Verträgen nicht vereinbar, sagte er bei einer Veranstaltung in Kaiserslautern. „Das führt dazu, dass das Grundrecht auf Asyl in Deutschland nicht mehr gelten würde. Das können wir niemals zulassen.“ So etwas dürfe man nicht vorschlagen, „wenn man in diesem Land eine Führungsverantwortung haben will.“ Dann müsse man beweisen, dass man mit den Prinzipien, die dazugehören, umgehen könne. „Und dazu gehört die Achtung der Verfassung und der Verträge, die wir geschlossen haben“, so Scholz. Nach aktuellen Umfragen reicht es für ihn jedoch nicht zu einer erneuten Kanzlerschaft. Die SPD könnte sich nach der Bundestagswahl vom 23. Februar in der Rolle eines Juniorpartners der Union wiederfinden – und mit ihr auch über Verschärfungen in der Asylpolitik verhandeln müssen.

Auch die Grünen lehnen den Vorstoß scharf ab. Kanzlerkandidat Robert Habeck betonte am Sonntag auf dem Parteitag der Grünen in Berlin, Merz habe angekündigt, eine Mehrheit im Bundestag zu bauen, mithilfe der AfD. „Nichts daran ist harmlos“, warnte Habeck. „Man sollte das nicht als strategische Fehlleistung abtun.“ Habeck stellte auch die Regierungsfähigkeit von Merz infrage. Dessen Vorstoß, die Grenzen dichtzumachen, spalte Europa. Richtig sei ein geschlossenes Auftreten. „Wer das nicht lebt, kann eine Regierung nicht anführen“, sagte Habeck.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: