Kritik an Hans-Dietrich Genscher:Mein Freund, der Diktator

Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher wirbt für Regime wie Aserbaidschan und wird für Menschenrechtler der FDP zum Problem

Draht zum Diktator: FDP-Grandseigneur Hans-Dietrich Genscher.

(Foto: dpa)

Hans-Dietrich Genscher war zeitlebens ein Meister des Dialogs. Menschenrechte forderte der ehemalige Außenminister dagegen nie allzu direkt ein. Auch heute pflegt Genscher einen wohlwollenden Umgang mit Autokraten - auch im Dienst einer PR-Agentur.

Von Daniel Brössler, Berlin

Im Ballsaal des Berliner Hotels Adlon gilt es, einen großen Mann zu feiern. Das Symposium über den "Wirtschaftsraum Südkaukasus" findet laut Einladung statt anlässlich des 90. Geburtstages von Geidar Alijew, des "Neugründers des heutigen Aserbaidschan". Eine Fotoausstellung rückt den vor zehn Jahren gestorbenen Alijew ins beste Licht: Alijew mit Bill Clinton, Alijew mit George W. Bush, Alijew mit dem Papst. In seiner Begrüßungsrede erläutert der aserbaidschanische Botschafter dem Festpublikum die Bedeutung Alijews. Sie entspreche, sagt er, in etwa der von Konrad Adenauer, Willy Brandt und Charles de Gaulle. In der ersten Reihe sitzen EU-Energiekommissar Günther Oettinger und Hans-Dietrich Genscher.

Nur Stunden zuvor ist der langjährige FDP-Außenminister und weltweit geachtete Entspannungspolitiker von der Viadrina-Universität für seine Verdienste um die deutsch-polnische Aussöhnung ausgezeichnet worden. Nun ist er gekommen, um einen Mann zu preisen, dessen Lebenswerk eine stabile Diktatur ist, deren Geschicke seit dem Ableben des Vaters dessen Sohn Ilham leitet. Seit dem Beitritt Aserbaidschans zum Europarat habe nicht eine einzige demokratische Wahl in dem Land stattgefunden, beklagte im Januar die Parlamentarische Versammlung des Europarates. In einer Resolution zeichnete sie das Bild eines Landes, in der Oppositionelle verfolgt und Bürgerrechte missachtet werden. In seiner Festrede sagt Genscher, dass Geidar Alijew "mit Stolz zurückblicken könnte" auf das von ihm Geschaffene.

Genscher amüsiert sich über Demonstranten

Im wohlwollenden Umgang mit Autokraten folgt Genscher bereits einer gewissen Routine. "Mich hat beeindruckt, mit welcher Klarheit Sie den Weg Ihres Landes vorgezeichnet haben", begrüßte er im Februar 2012 den kasachischen Dauerpräsidenten Nursultan Nasarbajew vor dessen Rede bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Über Demonstranten vor der Tür machte sich Genscher lustig. Das sei eben eine "lebendige Begrüßung".

In seinen 18 Jahren als Außenminister hat Genscher es zu einer Meisterschaft im Dialog gebracht, die ihm im Kalten Krieg und insbesondere während des Umbruchs in Europa diplomatische Spielräume eröffnete. Bis heute hält er wenig davon, allzu direkt Demokratie und Menschenrechte einzufordern. "Höchste Priorität", schrieb er etwa im Dezember 2012 im Tagesspiegel, habe "eine langfristig angelegte Partnerschaft und Kooperation zwischen der EU und Russland". Die Union müsse in Wladimir Putin einen Partner erkennen.

Genscher mag da seiner diplomatischen Linie treu bleiben, offenkundig aber folgt er auch unternehmerischen Interessen. Der FDP-Ehrenvorsitzende ist auch Ehrenvorsitzender des Beirats der PR-Agentur Consultum Communications mit Sitz in Berlin. "Seriosität und Kompetenz sind die Grundlagen der Arbeit von Consultum", lässt sich Genscher auf der Homepage zitieren. Die Agentur des früheren Bild-Journalisten Hans-Erich Bilges hat sich unter anderem auf die "Beratung und Betreuung ausländischer Regierungen und ihrer diplomatischen Vertretungen in Deutschland" spezialisiert.

Über Pressefreiheit spricht Genscher nicht

Im Juni vergangenen Jahres besuchte Genscher diesen Klienten und machte dabei auch Präsident Ilham Alijew seine Aufwartung. Ob es den Beziehungen denn nicht schade, wurde Genscher in einem Interview mit der einheimischen Presse gefragt, dass "einige deutsche Medien gegenüber Aserbaidschan eine nicht objektive Haltung an den Tag legen". In seiner in verschiedenen Medien abgedruckten Antwort verlor Genscher über das Gut der Pressefreiheit kein Wort. "Vor allem glaube ich an die Freundschaft der Völker Aserbaidschans und Deutschlands. Kein kritischer Bericht kann dieser Freundschaft schaden", versicherte er.

Im Adlon bleibt dann EU-Kommissar Oettinger die Bemerkung überlassen, dass es etwa bei der Meinungsfreiheit noch etwas zu tun gebe. Vor allem aber erneuert er seinen Appell, dass Gas aus Aserbaidschan tunlichst nicht über den Umweg von "Putins Schreibtisch", sondern direkt nach Europa gelangen solle. Im Sommer wird in Baku über eine neue Pipeline entschieden.

Genscher ist ein willkommener Leumundszeuge

Genscher seinerseits vermeidet in seiner Rede jegliche Kritik. Im Einklang mit aserbaidschanischer Geschichtsschreibung lobt er, dass Alijew schon als sowjetischer Republikchef mit seiner Kulturpolitik die Grundlagen für die spätere Staatlichkeit gelegt habe. In einem Text für eine der zahlreichen Jubelschriften anlässlich der 90-Jahr-Feier ist unter Genschers Namen dies, aber noch viel mehr zu lesen: "In seiner Innenpolitik zeigt Aserbaidschan Entschlossenheit, den Weg der Demokratie und Offenheit zu gehen", etwa. Und: "Am Beispiel des Staatsgründers Geidar Alijew und seines Sohnes Ilham bestätigt sich erneut, dass Geschichte von Persönlichkeiten geformt wird."

Dem Regime in Baku ist Genscher als Leumundzeuge willkommen. Über seinen Auftritt berichten aserbaidschanische Medien breit. Noch wertvoller aber ist Genscher wohl wegen seines Einflusses in Berlin. Im Adlon schaut auch Genschers Parteifreund, Außenminister Guido Westerwelle, kurz herein. Nachdem er mit dem Botschafter pflichtschuldig die Alijew-Ausstellung abgeschritten hat, setzt er sich noch auf ein Glas Weißwein zu Genscher. Es sieht nach einem gelungenen Abend aus.

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