Kritik an der SPD:"Abstoßend" - Beck über das Innere seiner Partei

Der ehemalige Parteichef wird deutlich: Kurt Beck kritisiert Erstarrungen in der SPD - und den "Quatsch" interner Kreise.

Hans-Jürgen Jakobs

Neun Monate hat er geschwiegen. Sagte nichts über seine SPD und seinen Nachfolger Franz Müntefering. Schwieg sich aus über den Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Kümmerte sich nur um seine Amtsgeschäfte als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz.

Kritik an der SPD: Kurt Beck

Kurt Beck

(Foto: Foto: AP)

Nun aber redet Kurt Beck über die Probleme der deutschen Sozialdemokratie - und über den Stil an der Spitze jener Partei, die ihn intrigenreich, im Stil begabter Putschisten, als Vorstandschef ausmanövriert hat.

Kurt Beck rechnet beispielsweise ab mit den drei Fraktionen innerhalb der SPD, in denen sich die Genossen seit langer Zeit organisieren: dem rechten Seeheimer Kreis, den Netzwerkern und der Linken. "Ich habe von diesen Parteikreisen nie etwas gehalten", wettert Beck, "es hat mich immer abgestoßen". Das gelte auch für die "Seeheimer", die ihm ideologisch noch am nächsten stehen. Dass Finanzminister Peer Steinbrück hier selbst mit organisiert hat, ärgert den Pfälzer: "Er weiß von mir, dass ich das nicht gut gefunden habe."

"Das erstarrt in Ritualen"

In einem Interview für das Buch "Angepasst & ausgebrannt" des Fernsehreporters Thomas Leif redet sich der Ex-Parteichef den Zorn von der Leber: "Ich bleibe dabei - die Gruppenbildung ist das zentrale Problem der SPD", findet er: "Das erstarrt in Ritualen." Beck redet von "Einbindungsquatsch" und von künstlichen Grenzen, diese "Kreise" würden einer differenzierten Diskussion schaden - deshalb habe er in Rheinland-Pfalz "dafür gesorgt, dass es hier solche Dinge nicht gibt". Die Fraktion und der Vorstand könnten offen reden.

Zu spüren ist der ganze Frust über die Verhältnisse in Berlin, wo die SPD-Granden ihre Gefolgsleute in den drei Kreisen ordnen und Vorabsprachen treffen: Die Seeheimer, die Netzwerker, die Linken. Alles schön absehbar. Beck hält diese Gruppenbildung für undemokratisch.

Zwar räumt der Mainzer Landeschef eigene Fehler ein und meint: "Nachtreten ist nicht meine Art" - doch Becks bittere Bestandsaufnahme kann man in Teilen gar nicht anders deuten als eine Generalkritik an Müntefering und Steinmeier, die ihn im Sommer 2008 ausgehebelt haben.

Es wirft grelle Schlaglichter auf eine Partei, die seit elf Jahren an der Bundesregierung beteiligt ist und seit einigen Jahren in der Gunst der Wähler jäh verliert.

"Wolfsrudel haben auch Gesetze; aber es sind nicht die, die in eine moderne, menschliche Gesellschaft passen", erklärt der SPD-Politiker beispielsweise auf die Frage nach der Kultur an der SPD-Spitze. Oder: "Bei Steinbrück konnte man zumindest am offensten wissen, was geplant wird. Andere spielten ja viel versteckter." Er nehme mit Abscheu zur Kenntnis, "dass einige nicht den Mut hatten, intern zu einer Auseinandersetzung auch mit ihrem Namen zu stehen".

Der glücklose Kandidat

Dass damit nicht Olaf Scholz gemeint ist, liegt auf der Hand. Den Arbeitsminister hatte der in einer Funktionärsrunde am Schwielowsee entmachtete Beck noch als Nachfolger empfohlen, aber der Mann aus Hamburg war offenbar nicht der richtige Spielpartner für Steinmeier.

Der ambitionierte Sozialdemokrat, der von Gerhard Schröder in alle Winkelzüge der Politik eingeweht wurde, setzte ganz auf die allseits vermuteten Wahlkampfkünste des Altmeisters Müntefering. Und Generalsekretär Hubertus Heil - der anscheinend in seinem SPD-Amt eine Art Dauerbleiberecht zu genießen scheint - setzte mit.

Inzwischen, nach der Europawahl, ist der neue alte Parteichef aufs erste ebenso entzaubert wie Kanzlerkandidat Steinmeier. Der einstige Chef des Bundeskanzleramts lässt es an Charisma und Schlagkraft fehlen. Von Empathie kann keine Rede sein - nicht einmal, wenn er den Arbeiterführer mimt, der sich bei Opel, Arcandor und anderswo für Jobs einsetzt.

Nicht wenige in der SPD meinen, für solch miserablen Ergebnisse wie am vergangenen Wahlsonntag hätte die Partei die Führung nun wirklich nicht austauschen müssen.

Kurt Beck ist erkennbar noch verärgert über den Putsch gegen ihn. Ungeschehen aber möchte er die Jahre als Parteichef nicht machen: "Es war der Versuch, einen anderen Stil zu prägen."

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