Kritik an der Gesundheitsreform:Röslers bittere Pille

"Ungerecht" und "eine Subventionierung der Pharmaindustrie": Am Mittwoch stimmt das Kabinett über die Gesundheitsreform ab. Der zuständige Minister Philipp Rösler muss schon vorab reichlich Kritik und Häme einstecken.

Die Merkel'schen Minister haben es derzeit nicht leicht. Wichtige Reformen in den Bereichen Energie, Gesundheit und Verteidigung stehen an - doch noch bevor die auf den Weg gebracht sind, formiert sich Widerstand gegen die geplanten Neuerungen.

Fikitves Medikament Roeslerol

Warnung vor "Röslerol": Der Deutsche Hausärzteverband hat im Rahmen einer Kampagne zur besseren Honorierung von Hausärzten ein fiktives Medikament vorgestellt, das auf die Reformpläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) aufmerksam machen soll.

(Foto: ddp)

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) muss den Ausstieg vom Atomausstieg verteidigen, obwohl er beim Kompromiss mit den Energiekonzernen nicht einmal dabei gewesen sein will. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat die Union mit der Aussetzung der Wehpflicht zunächst in den Parteigrundfesten erschüttert - um seine Einsparplänen für die Bundeswehr dann doch durchzusetzen.

Und auch für die Gesundheitsreform von Minister Philipp Rösler (FDP), über die das Kabinett am Mittwoch abstimmt, hagelt es bereits vorab Kritik.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat im Hamburger Abendblatt eine einseitige Belastung der Arbeitnehmer moniert. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte der Zeitung, die schwarz-gelbe Koalition plane "eines der größten Umverteilungs- und Belastungsprogramme gegen die Bürgerinnen und Bürger". Trotz geschönter Rhetorik könne der Gesundheitsminister nicht verschleiern, dass die 70 Millionen Versicherten nach seinen Plänen künftig alle Kostensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung alleine bezahlen sollen - und dies auch noch in Form von Kopfpauschalen. "Wir halten Röslers Pläne für zutiefst ungerecht", sagte Buntenbach.

Sie kündigte an, dass der DGB die Gesundheitspolitik der Koalition zum zentralen Thema seiner Herbst-Aktionen machen werde. Zugleich appellierte Buntenbach an die CSU, die Reform noch zu verhindern.

Und auch die Arbeitgeberseite ist unzufrieden mit dem Entwurf des FDP-Ministers: "Die Koalition hat stabile Beiträge und die Entkopplung der Gesundheitskosten vom Arbeitsverhältnis versprochen. Tatsächlich werden jetzt die Beiträge zulasten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern deutlich erhöht. Das ist der falsche Weg", sagte Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), der Passauer Neuen Presse.

Die Beitragserhöhung treibe die Arbeitskosten weiter nach oben. "Das belastet Wirtschaft und Beschäftigung beim Aufstieg aus dem tiefen Konjunkturtal", kritisierte Hundt.

Positiv sei dagegen die Weiterentwicklung der Zusatzbeiträge. "Es ist zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, die Gesundheitskosten vom Arbeitseinkommen abzukoppeln."

Der Gesundheitsminister selbst hatte sein Vorhaben verteidigt, den Beitragssatz für die gesetzliche Krankenkasse auf 15,5 Prozent zu erhöhen sowie künftig notwendige Zusatzbeiträge über Steuermittel auszugleichen. Angesichts der demografischen Entwicklung und aufgrund des technischen Fortschritts könne das deutsche Gesundheitssystem in Zukunft nicht billiger werden, sagte Rösler am Wochenende in der ARD.

Umstritten ist jedoch nicht nur die geplante Erhöhung der Krankenkassenbeiträge: Die Opposition wirft den Berliner Koalitionären vor, bei der Gesundheitsreform Lobbypolitik zugunsten der Pharmaindustrie zu betreiben.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatte in einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger gesagt, die Regierung täusche Parlament und Öffentlichkeit bewusst über den Lobby-Einfluss bei der Formulierung der Gesundheitsreform. So habe der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA) direkten Einfluss auf eine wesentliche Neuerung der Reform ausgeübt, nämlich die künftige Festlegung der Kriterien zur Kosten-Nutzen-Bewertung für neue Medikamente im Gesundheitsministerium.

Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) äußerte sich kritisch zur neuen Kosten-Nutzen-Bewertung für Medikamente: Es sei ein Unding, wenn Beamte des Gesundheitsministeriums für die Bewertung zuständig sein sollten und dabei auch die Umsatzinteressen der Arzneimittelindustrie berücksichtigen müssten, sagte vzvb-Vorstand Gerd Billen in der Rheinpfalz am Sonntag.

"Die Pläne der Bundesregierung laufen auf eine Subventionierung der Pharmaindustrie durch die Versicherten hinaus", kritisierte Billen. Er forderte, an der ursprünglichen Absicht festzuhalten, wonach der Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Patientenvertretern Kriterien für die Nutzenbewertung neuer Medikamente festlegt.

Rösler hatte dazu gesagt, man brauche eine "vernünftige Nutzenbewertung", die jetzt "im Interesse der Patienten" sehr schnell zustande kommen müsse. Das bisherige Verfahren sei nicht schnell genug wirksam.

Angesichts der vielfachen Kritik - auch aus der Union - hat CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich gefordert, Änderungsvorschläge aus Reihen der Koalition ernst zu nehmen und gegebenenfalls umzusetzen. "Wir müssen die kritischen Hinweise der Gesundheitsexperten der Koalition aufnehmen", sagte Friedrich dem Hamburger Abendblatt. Der CSU-Politiker kündigte zugleich Änderungen beim Gesetzentwurf an.

Das Bundeskabinett will an diesem Mittwoch über die Gesundheitsreform entscheiden. Rösler will den Entwurf danach der Öffentlichkeit vorstellen.

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