Kritik an Bundeswehr:Robbe, Guttenberg und das "Kriegszittern"

Der scheidende Wehrbeauftragte Robbe grollt, Deutschland lasse versehrte Soldaten im Stich - die Wut hat auch mit seiner Familiengeschichte zu tun.

Von Oliver Das Gupta

Am 12. Mai beginnt ein neuer Lebensabschnitt für Reinhold Robbe. An diesem Tag wird der Wehrbeauftragte sein Amt an Hellmut Königshaus übergeben. Politiker, deren Nachfolger schon feststehen, gelten meistens als lame duck, als "lahme Ente", einer, der nurmehr verwaltet, aber nicht länger agiert.

Anders Robbe: Seitdem klar ist, dass der Sozialdemokrat seinen Posten verliert, haut der Mann aus Ostfriesland rhetorisch kräftiger denn je auf die Pauke.

Prangerte er in seinem letzten Jahresbericht vor allem Missstände bei der ärztlichen Versorgung der Bundeswehr an (was auch daran liegen mag, dass Robbe und der zuständige Sanitätsinspekteur nicht die besten Freunde sind), stellt er nun verwundete Soldaten in den Mittelpunkt. Genauer: der Umgang des Staates mit denjenigen Männern und Frauen in Uniform, die im Dienst versehrt und traumatisiert werden.

Drastisch beklagt Robbe nun das Schicksal solcher Angehörigen der Bundeswehr, die jahrelang und häufig vergeblich darum kämpfen, dass ihr Anspruch auf Wehrdienstentschädigung anerkannt wird. Ein "Skandal" sei das, grollt der 55-Jährige in einem Report des ARD-Magazins Panorama, diese Soldaten würden "im Stich gelassen".

Vor allem solche mit "Posttraumatischen Belastungsstörungen" (PTBS) stünden mit ihrer Erkrankung oft alleine da - meistens sind es Soldaten, die aus Afghanistan zurückkommen.

Hunderte traumatisierte Soldaten, Zahl steigend

In den ersten Jahren des deutschen Einsatzes am Hindukusch war es in den Regionen, in denen die Bundeswehr stationiert ist, relativ friedlich. Die Bundeswehr hatte in der zugewiesenen Nordregion kaum Probleme. Schwere Gefechte wie an Karfreitag oder an diesem Donnerstag, als mindestens vier Deutsche Soldaten fielen, waren nicht denkbar.

Lebensgefährlich ist die Mission der Deutschen in Kundus, Mazar-i-Sharif und Faizabad inzwischen schon seit längerem. Seitdem die Taliban und andere militante Gruppen auch im "deutschen Norden" des Landes operieren, schnellt auch die Zahl der traumatisierten Bundeswehrsoldaten in die Höhe: 2009 wurden 466 Angehörige der Truppe wegen PTBS behandelt - fast doppelt so viele wie im Vorjahr.

Es sind Fälle, die Reinhold Robbe besonders wütend machen - weil ihm diese Schicksale besonders nahe gehen. "Ich bin da persönlich berührt", sagte er einmal in einer Diskussionsrunde und erzählte die Geschichte seines Vaters. Der zog in den Zweiten Weltkrieg als Soldat und wurde schwer verwundet. Er überlebte, die Schatten des Grauens verzogen sich nie wieder. Im Alter drückten seinen Vater schwere Depressionen, erzählte Robbe.

Das "Kriegszittern" kannte man schon aus dem Ersten Weltkrieg, doch bis es eingehend untersucht wurde, vergingen viele Jahre: Erst nach dem Vietnamkrieg gab es Studien zu dem Syndrom, das den Namen PTBS erhielt. Es dauerte bis 1994, also 80 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, bis PTBS als eingenständige Krankheit behandelt wurde.

Robbes Vater erhielt keine Hilfe: "Im Grunde starb er an den Folgen der traumatischen Belastungen, die im Alter wieder ausbrachen", sagt der Wehrbeauftragte im März.

Kritik an Guttenberg

Nun, kurz vor seinem Ausscheiden, nennt er konkrete Fälle wie den von dem Stabsgefreiten, dessen Haut in Afghanistan großflächig verbrannte und der deshalb nicht in seinen erlernten Lackerier-Beruf zurückkehren kann - die geschädigte Haut verträgt keine Lösungsmittel. Da sein Behinderungsgrad knapp unter 50 liege, wird er nicht als Ersatzversehrter weiterbeschäftigt, zürnt Robbe.

Solche Fälle bringen den Norddeutschen in Wallung - er wittert System hinter fehlender Kulanz und mangelnder Sensibilität. Robbe moniert in dem Panorama-Beitrag Gutachten, die zumeist zu Ungunsten des Betroffenen ausfallen.

Die Verantwortung sieht er ganz oben, bei Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, auch wenn er den CSU-Politiker nicht beim Namen nennt: "Hier muss unterstellt werden, dass der Dienstherr, der einen Auftrag gibt, ein bestimmtes Ergebnis haben will", wettert Robbe.

Sein letzter Monat im Amt hat nun begonnen, bald endet vermutlich seine politische Karriere. Mit 16 ist Robbe in die SPD eingetreten, er saß als Abgeordenter elf Jahre im Bundestag, bevor er 2005 Wehrbeauftragter wurde.

Seine Berufung scheiterte damals fast, weil einige Parteifreunde dem konservativen SPD-"Seeheimer" Robbe vorhielten, nicht gedient zu haben. Damals in den siebziger Jahren, während des Kalten Krieges, verweigerte er, weil er nicht im Ernstfall auf Verwandte aus Thüringen schießen wollte.

Inzwischen, sagte er mal, würde sich Reinhold Robbe als Wehrpflichtiger für die Armee entscheiden, die in Afghanistan steht. Der Einsatz der Deutschen in dem Bürgerkriegsland dauert inzwischen länger als der Krieg, an dem Robbes Vater zerbrochen ist.

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