Kritik an Afghanistan-Einsatz:Karsai empfindet "extreme Wut" auf US-Regierung

Karzai demands US focus on peace process before signing pact

Der Krieg in seinem Land war nicht im Interesse der Afghanen, sagt Präsident Hamid Karsai.

(Foto: S. Sabawoon/dpa)

"Afghanen starben in einem Krieg, der nicht der unsere ist": Kurz vor dem Ende des Nato-Einsatzes in Afghanistan verurteilt Präsident Karsai das Vorgehen Washingtons in seinem Land. Al-Qaida hält er für einen Mythos.

In zehn Monaten endet der Nato-Kampfeinsatz in Afghanistan - nach mehr als einem Jahrzehnt. Bleiben ausländische Truppen oder werden die afghanischen künftig auf sich selbst gestellt sein? Wie es in dem Land weitergeht, ist unklar. In dieser Situation übt der afghanische Präsident Hamid Karsai scharfe Kritik an der US-Regierung.

Der Militäreinsatz sei nicht im Interesse der Afghanen geführt worden, sondern diene der Sicherheit der Vereinigten Staaten und westlichen Interessen, sagte Karsai in einem Interview der Washington Post. "Afghanen starben in einem Krieg, der nicht der unsere ist", beklagte Karsai.

Gefragt nach seiner Botschaft an die Amerikaner sagte er: "Richten Sie dem amerikanischen Volk meine besten Wünsche und meine Dankbarkeit aus. Richten Sie der US-Regierung meine Wut, meine extreme Wut aus." Der Präsident kritisierte besonders die zahlreichen zivilen Opfer bei ausländischen Militäroperationen in den vergangenen Jahren.

Al-Qaida - laut Karsai mehr Mythos als Realität

Er hob besonders den Fall eines vierjährigen Mädchens hervor, das bei einem Luftangriff die Hälfte ihres Gesichtes verloren habe und das er im Krankenhaus besucht habe. "An diesem Tag wünschte ich, sie wäre tot, so dass sie mit ihren Eltern, Brüdern und Schwestern hätte begraben werden können, von denen 14 bei dem Angriff getötet worden waren", sagte Karsai der Zeitung.

Der afghanische Präsident stellte außerdem die Existenz des Terrornetzes Al-Qaida infrage. Der Aufenthaltsort von Qaida-Gründer Osama bin Laden und seiner Anhänger in Afghanistan war der Grund, weshalb die USA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 Truppen an den Hindukusch schickten. Was Karsai nun über das Terrornetzwerk von sich gab, dürfte Washington Sorge bereiten: "Al-Qaida ist für mich mehr Mythos als Realität". Er zeigte sich überzeugt, dass die Mehrheit der Männer, die die USA inhaftiert hätten, unschuldig sei.

Karsai bekräftigte, er werde ein geplantes Sicherheitsabkommen mit den USA nicht vor der Präsidentenwahl am 5. April unterzeichnen, sollte bis dahin nicht ein Friedensprozess mit den Taliban beginnen. Zur Wahl darf Karsai nicht mehr antreten.

Das Sicherheitsabkommen ist Voraussetzung für einen internationalen Militäreinsatz von 2015 an. US-Präsident Barack Obama hatte Afghanistan mit einem vollständigen Abzug aller Truppen noch in diesem Jahr gedroht, sollte das Abkommen nicht zustande kommen.

Derzeit sind etwa 52000 Nato-Soldaten in Afghanistan im Einsatz, davon sind mehr als 33600 US-Soldaten. Zwar haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte in ihrer Ausbildung gemacht, es bleiben aber Zweifel, ob sie die Aufständischen gerade in abgelegenen Regionen im Schach halten können.

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