Kritik am Papst:"Dialog mit Juden 100 Jahre zurückgeworfen"

Theologen und Kirchenvertreter sind empört über die Wiederaufnahme des Holocaust-Leugners Richard Williamson in die Kirche.

Julius Müller-Meiningen, Rom

Jüdische Organisationen haben am Dienstag eine klare Distanzierung des Vatikans vom traditionalistischen Bischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson gefordert.

Papst Benedikt XVI.; AP

Papst Benedikt XVI. hat mit seinem Gnadendekret für vier Bischöfe einen Proteststurm ausgelöst.

(Foto: Foto: AP)

Der Oberrabbiner von Triest, Ytzhak Margalit, sagte am Rande einer Feier anlässlich des Holocaust-Gedenktages in Triest, Papst Benedikt habe den Dialog mit dem Juden "um 100 Jahre zurückgeworfen". Die Vorsitzende des Deutschen Zentralrats, Charlotte Knobloch, sagte, sie sehe den Dialog mit der katholischen Kirche in Gefahr: "Für mich als Überlebende ist momentan das Gespräch nicht fortzusetzen", sagte sie dem Fernsehsender N24.

Der Vatikan müsse sich überlegen, inwieweit er die mühsam wieder errichteten Verbindungen zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum fortführen möchte. Knobloch sagte außerdem, sie hoffe, dass der Vatikan die Rehabilitierung Williamsons rückgängig mache.

Der britische Bischof Williamson hatte in einem vergangene Woche ausgestrahlten Fernseh-Interview die Opfer des Holocaust auf 200.000 bis 300.000 beziffert und die Existenz von Gaskammern geleugnet. Am Samstag veröffentliche der Vatikan ein Dekret, nach dem die Exkommunikation von Williamson und drei weiteren Bischöfen der traditionalistischen Pius-Bruderschaft aufgehoben sei.

Wie am Dienstag bekannt wurde, will wegen des Dekrets auch die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland ihren Dialog mit dem Vatikan abbrechen. "Die Brücken, die in der Vergangenheit gebaut worden waren, sind jetzt zum Einstürzen gebracht worden", sagte der Düsseldorfer Rabbiner Julian-Chaim Soussan bei einer Tagung in Berlin.

Am Montag hatte sich die Deutsche Bischofskonferenz von Williamson distanziert. Auch mehrere Vertreter des Vatikan nannten die Äußerungen Williamsons "nicht akzeptabel". Jüdische Organisationen fordern deutlichere Gesten, auch von Papst Benedikt XVI. selber.

"Zunehmende Verhärtung des Vatikans"

Der Römische Oberrabbiner Riccardo Di Segni nannte die Aufhebung der Exkommunikation für Williamson einen Grund für Beunruhigung in der gesamten jüdischen Welt. Di Segni sagte, er habe Benedikt XVI. zu einem Besuch in der römischen Synagoge eingeladen. Eine solche Visite wäre ein klares und unmissverständliches Zeichen.

In einem Interview mit der Zeitung La Repubblica bezeichnete der Schweizer Theologe Hans Küng das Gnadendekret für die traditionalistischen Bischöfe als Anzeichen für eine "zunehmende Verhärtung des Vatikans", der sich auf einem stetigen Weg zurück befinde.

Am Dienstag wurde im Vatikan erstmals Kritik an dem Vorgehen der Kirche laut. Insider sprachen von einer "Kommunikationspanne" und von einem "Fehler". Die italienische Bischofskonferenz stellte sich hinter den Papst. Der Vorsitzende, Kardinal Angelo Bagnasco, begrüßte die Rücknahme der Exkommunikation als "Akt der Barmherzigkeit". Die Äußerungen Williamsons bezeichnete Bagnasco als "nicht fundiert und unmotiviert".

Unterdessen versucht der Vatikan mit Hilfe seiner Presse-Organe, die Debatte über Williamson zu begrenzen. Die Vatikan-Zeitung Osservatore Romano brachte in ihrer Dienstagsausgabe zwei Seiten zum Holocaust-Gedenktag. In einem Kommentar hieß es, die Medien erweckten den falschen Eindruck, dass der Papst das Gespräch mit dem Judentum oder die Ökumene in Frage stelle. Die Aufhebung der Exkommunikation sei allerdings "nach einem falschen Drehbuch abgelaufen".

Die Debatte um die Rehabilitierung der vier Bischöfe wirft auch einen Schatten auf eine für Mai geplante Israel-Reise des Papstes. Der deutsche Kardinal Walter Kasper sagte, die Reise sei nicht von der Diskussion über Williamson abhängig. Nur die Entwicklung in Gaza könnte die Reisepläne beeinträchtigen.

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