Süddeutsche Zeitung

Kritik am Muslimrat:Eine Partei muslimischer Männer

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Die islamischen Verbände in Deutschland schließen sich zusammen, um staatlich anerkannt zu werden. Doch der Integration dienen sie nicht. Frauen schon gar nicht.

von Necla Kelek

Vier muslimische Dachverbände haben sich zu einen Koordinierungsrat zusammengeschlossen und wollen nun ,,mit einer Stimme'' für die staatliche Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft eintreten. Damit erfüllen sie eine der Forderungen der Politik nach einem Ansprechpartner. ,,Der Koordinierungsrat bekennt sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik'', heißt es in der Geschäftsordnung des Gremiums, um dann wie mit hinter dem Rücken gekreuzten Fingern hinzuzufügen: ,,Koran und Sunna des Propheten Mohammed bilden die Grundlage des Koordinierungsrates.''

Doch was ist darunter zu verstehen, wenn Koran und Sunna der Maßstab des Handelns sind? Gläubige Muslime berufen sich in ihrem religiösen Leben auf den Koran und die Sunna, die religiösen Traditionen. Einige Traditionen stehen aber mit den Grundrechten der Zivilgesellschaft in Konflikt: die Ungleichbehandlung von Frauen in Gesellschaft und Recht; das Tragen von Kopftüchern bei Frauen und Kindern, der Zwang zur Heirat, die Verwandtenehe, die Babyheirat, die Blutrache, der Ehrenmord, die Beschneidung von Mädchen und Jungen, der Versuch, Mädchen vom Unterricht fernzuhalten, die soziale Kontrolle, die Gewalt in der Familie.

Das habe alles nichts mit dem Islam zu tun, pflegen die Vertreter der Verbände zu sagen. Aber es gibt auch die gelebte Kultur des Islam, die nach unseren Maßstäben oft fragwürdig ist. Wer legt fest, was das Leben der Muslime ausmacht und was nicht? ,,Ihr Gläubigen seid die beste Gemeinschaft, die unter den Menschen entstanden ist. Ihr gebietet, was recht ist, verbietet, was verwerflich ist.'' (Sure 3, Vers 110) Der Koran macht die Umma, aber auch jeden Einzelnen, zum moralischen Richter.

Es gibt islamische Rechtsschulen, aber letztlich ist der Islam das, was der Imam predigt, der Vater, oder der Clanchef meint, oder was sie meinen, was die Hadithe und der Koran sagen. Und was die Muslim-Vereinssprecher meinen, ist nichts weiter als eine freundliche Umschreibung des Anspruchs, in Deutschland nach der Scharia, dem aus den Schriften und Traditionen abgeleiteten Recht, leben zu können.

Dies bedeutet: Die Gesetze der Bundesrepublik und die Werte des Landes gelten für Muslime nur unter einem Gottesvorbehalt. Denn da der Islam die Trennung von Leben und Glauben, von Staat und Religion nicht kennt, bezieht sich die Formulierung ,,unser religiöses Leben'' auf alle Lebensbereiche, auch auf das Verhältnis zu den ,,Ungläubigen''. Auch nichtmuslimische Kinder sind betroffen, wenn zu Ramadan nichts mehr getrunken oder gegessen werden soll, wenn die Hälfte der Klasse beim Sportunterricht fehlt oder das Wurstbrötchen aus der Schulkantine verbannt wird.

Der Koordinierungsrat der Muslime vertritt vielleicht ein Zehntel der 3,2 Millionen Muslime in Deutschland. Er hat zudem ein demokratisches Legitimationsproblem. Es gibt innerhalb der Islamvereine keine transparente Willensbildung und keine Kontrolle. Die Vertreter der Ditip sind zudem Beamte des türkischen Staates, der AKP-Regierung in Ankara verpflichtet. Der Koordinierungsrat ist, salopp gesagt, eine Versammlung muslimischer Stammesführer. Er ist eine Fassade ohne Haus und nur so wichtig, wie wir ihn nehmen.

Im Kern ist der Zusammenschluss eine ,,Glaubenspartei'', die das Weltliche nicht vom Geistlichen trennt. Wir müssen deshalb über die Politik dieser Glaubenspartei sprechen, wie wir über die Ansprüche jeder anderen Partei sprechen. Ein wichtiges Ziel ist zum Beispiel der Moscheebau. Die Vereine sprechen von ,,Gotteshäusern'' und setzen Moscheen den Kirchen gleich. Sie verschweigen dabei, dass Moscheen traditionell andere Aufgaben haben. Moscheen sind traditionell keine heiligen Stätten, sondern der Ort, an dem sich die Männer der Gemeinde zum Gebet und Geschäft versammeln. Die Moschee ist ein sozialer Ort, kein sakraler.

Moscheen sind Männerhäuser

Dagegen ist im Prinzip nichts zu sagen, aber sie sind eben keine Kirchen und deshalb auch nicht so wie sie zu behandeln. Ob eine Moschee gebaut werden kann, ist eine politische Frage. Und ein Kriterium für die Genehmigung ist: Dienen sie der Integration? Da sind Zweifel angebracht. Vor allem die größeren Moscheen sind ,,Medinas'', Zentren, in denen alle Bedürfnisse abgedeckt werden. Es gibt dort Koranschule, koschere Lebensmittelläden, Reisebüros, Friseur, Beerdigungsinstitut, Restaurant, Teestuben, Hochzeitssäle - alles, was ein Muslim braucht, der nichts mit der deutschen Gesellschaft zu tun haben will.

Außerdem: Moscheen waren und sind Männerhäuser. Frauen sind meist nur in separaten Räumen geduldet. Eine demokratische Gesellschaft lebt aber davon, dass Männer und Frauen gleiche Rechte haben und auch gleich behandelt werden. Die Trennung der muslimischen Gemeinde in die der Männer, die in der Moschee sitzen, beten und ihre Geschäfte machen und die der Frauen, die in ihre Wohnungen verbannt sind, kann kein Integrationsmodell sein. Solange die Moscheen nicht das partnerschaftliche Miteinander pflegen, sondern archaische und patriarchalische Strukturen befördern, solange sind solche Häuser für mich nicht akzeptabel. Für mich ist der Versuch der Ditip, in Deutschland so viele Moscheen wie möglich zu errichten, kein Beitrag zur Integration, sondern der Versuch der Missionierung durch Steine.

Ja, die Muslime sollen ein gleichberechtigtes religiöses Leben in der Bundesrepublik führen, dies ist zum überwiegenden Teil bereits heute möglich. Der Islam aber ist mit seinem religiös-politischen Anspruch nicht in eine demokratische Gesellschaft zu integrieren. Er stellt sich in seinem ganzen Wesen als ein Gegenentwurf zur aufgeklärten, säkularen Zivilgesellschaft dar. Der Islam muss sich säkularisieren, daran führt kein Weg vorbei.

Er muss den Dualismus der westlichen Gesellschaft anerkennen und leben, sonst wird er fremd bleiben. Auch deshalb kann es zur Zeit nicht um eine Anerkennung der islamischen Organisationen als Vertreter des Islam gehen. Aber ich bin der Überzeugung, dass jeder einzelne Muslim seinen Platz in dieser Gesellschaft finden kann, ohne seinen Glauben preiszugeben. Dazu müssen die veränderungsbereiten Muslime die Reform ihrer Religion betreiben, nicht indem sie mehr Gruppenrechte einfordern, sondern indem sie klug und maßvoll die Rechte des Einzelnen stärken.

Nur starke und selbstverantwortliche muslimische Männer und Frauen werden in einer modernen Gesellschaft ihren Platz finden. Ich habe Hoffnung, dass dies gerade in Deutschland möglich ist.

Die Sozialwissenschaftlerin und Islamkritikerin Necla Kelek, 49, wurde durch ihr Buch ,,Die fremde Braut'' bekannt. Sie ist Mitglied der Islamkonferenz von Innenminister Schäuble.

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Quelle:
SZ vom 22.4.2007
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