Krisenbewältigung in Spanien:Rajoy auf Tauchstation

Spanien hat in Brüssel Milliarden-Hilfen für seine maroden Banken beantragt - durch Wirtschaftsminister de Guindos. Denn zur Chefsache will Ministerpräsident Rajoy das Thema nicht machen. Ganz im Gegenteil: Mitten in der Krise lässt er sich kaum mehr öffentlich blicken. Nicht nur die Opposition befürchtet einen Realitätsverlust des Regierungschefs.

Sebastian Schoepp, Madrid

Als Spanien an diesem Montag in Brüssel Milliarden-Hilfe für seine maroden Banken beantragt hat, musste wieder Wirtschaftsminister Luis de Guindos dafür einstehen. Ministerpräsident Mariano Rajoy hingegen wird wie immer im Hintergrund bleiben und den Strippenzieher geben.

Krisenbewältigung in Spanien: Die Arbeit ist gemacht: Mit seinen sparsamen Auftritten will der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy zeigen, dass die Banken-Krise eigentlich schon bewältigt ist.

Die Arbeit ist gemacht: Mit seinen sparsamen Auftritten will der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy zeigen, dass die Banken-Krise eigentlich schon bewältigt ist.

(Foto: AP)

Seit klar ist, dass Spaniens Banken Hilfe brauchen, ist Rajoy nur zwei Minuten lang bei einer Routine-Kontrollsitzung vor dem Parlament erschienen, in der er zu verstehen gab, seiner Meinung nach sei die Arbeit nun gemacht. Die fällige Debatte zur Lage der Nation hat er abgesagt, als gäbe es nichts zu debattieren.

Dass der Kapitalbedarf der Banken laut Gutachten nun doch nicht die zuerst in Brüssel angemeldeten 100 Milliarden erreicht, feierte die Rajoy gewogene Presse als Durchbruch. "Spaniens Banken sind solvent", titelte die rechtskonservative La Razón, so als würden 62 Milliarden Kapitalbedarf nicht genau das Gegenteil bedeuten.

Die Ratingagentur Fitch hat an diesen Zahlen bereits Bedenken angemeldet, doch das war Rajoy keine Bemerkung wert. Die innere Botschaft seiner sparsamen Auftritte in der größten Krise der spanischen Demokratie lautet stets: Die Probleme sind nicht groß genug, als dass sich einer wie er persönlich um Details kümmern müsste.

Sein Ehrgeiz gelte eher einem Platz in der ersten Reihe beim Fototermin des G-20-Gipfels, spottet die regierungskritische Zeitung El País. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Opposition Rajoy Realitätsverlust vorwirft. Schlimmer für Spanien ist, dass das im Rest Europas allmählich auch so gesehen wird.

Rajoys Wunschtraum

Der konservative Parteistratege Rajoy war im Dezember nach seinem überragenden Wahlsieg gegen die Sozialisten mit der Vorstellung angetreten, seine Person würde genügen, um die Märkte zufriedenzustellen und Spanien vor Angriffen zu schützen. Die von Berlin und Brüssel verlangten Sparmaßnahmen dekretierte Rajoy nicht wie der sozialistische Vorgänger José Luis Rodríguez Zapatero mit schlechtem Gewissen, sondern aus "voller Überzeugung", wie er betonte.

Doch die Anleger behandeln Spanien weiter als Paria. Längst sind nicht mehr die Staatsausgaben das Problem, sondern die Tatsache, dass das Land keine Einnahmen hat, weil es kein Geld mehr auf dem Kapitalmarkt bekommt.

Auf die von Rajoy erträumte "konservative Allianz" mit Angela Merkel pfeift die deutsche Kanzlerin, sie behandelt Rajoy ungerührt als Bittsteller. Das Satiremagazin Jueves bildete Merkel als Domina ab, die einen nackten Rajoy mit Peitsche und glühendem Euro-Brandzeichen traktiert.

Auch bei Mario Monti fand Rajoy keinen Beistand - im Gegenteil, Italiens Regierungschef verweist gänzlich unsolidarisch auf Spaniens Probleme, um von den eigenen abzulenken. Auf der Suche nach neuen Allianzen wurde Rajoy nun ausgerechnet beim ideologischen Gegner fündig: Der französische Sozialist François Hollande ist wie Rajoy für Wachstumsprogramme und mehr Geld im europäischen Finanzkreislauf.

Sozialisten profitieren nicht von Rajoys Schwäche

Außer mit seiner erratischen Bündnispolitik machte Rajoy sich in Brüssel mit seinen an das inländische Publikum gerichteten Manövern unbeliebt: Sparmaßnahmen und den Antrag auf Bankenhilfe zögerte er hinaus, um Spaniens "Souveränität" zu betonen. Dabei ähnelt er seinem Vorgänger Zapatero, der die Krise zu lange leugnete - von ihm wollte Rajoy sich eigentlich abheben.

"Rajoy hat auf ein Wunder gewartet, das nie kam", schreibt der sozialistische Abgeordnete Diego López Garrido in El País. Zu schärferen Tönen jedoch ringt sich die Opposition kaum durch. Zu sehr sind die Sozialisten selbst in die Krise verstrickt. Die Verabschiedung des europäischen Fiskalpakts ging in Madrid vergangene Woche lautlos und im Konsens über die Bühne.

Die Sozialisten selbst hatten im vergangenen Jahr dafür eine Verfassungsänderung eingeleitet. Ihre Euro-Konstruktivität macht sie derzeit als Alternative bei den Wählern uninteressant, sie können nicht vom Unmut über eine Regierung profitieren, deren Umfragewerte dramatisch fallen.

Noch sei die Euroskepsis der Spanier nicht so groß wie die der Griechen, sagt der Soziologe Vicente Pérez - obwohl auch bei ihm Ressentiments gegenüber der deutschen Dominanz im Gespräch schier mit Händen zu greifen sind. Pérez gehört zur Bewegung "15 M", die ihren Ursprung in der Besetzung der Puerta del Sol in Madrid am 15. Mai 2011 hatte und die Vorbild der weltweiten Occupy-Bewegung wurde. Doch nach dem Demonstrieren gehen die Spanier stets brav nach Hause.

Bankenrettung ohne Alternative

Noch hätten sie zu viel zu verlieren, sagt Pérez. Er ist Sprecher einer Initiative, die den Opfern der Immobilienkrise hilft. Bis zu 500.000 Zwangsräumungen drohen in Folge der Immobilienkrise in Spanien, befürchtet die Ombudsstelle für Bürgerrechte. Die sozialen Folgen dieses Dramas abzufangen, sehe die Bewegung 15 M als wichtigere Aufgabe an, als das Streben nach politischer Repräsentanz, sagt Pérez.

Auch Pérez, wiewohl Kommunist, sieht keine Alternative zur Bankenrettung. Allerdings müssten diese dann in öffentlichen Besitz übergehen; die Immobilien, die sie zahlungsunfähigen Schuldnern abgenommen hätten, sollten zu sozialen Konditionen vermietet werden.

Massendemonstrationen in Spanien zeigen, dass eine große Zahl der Bürger hinter solchen Forderungen steht. Dass sie unter Rajoy nicht durchsetzbar sein werden, weiß Pérez selbst. Eine schnelle Änderung der politischen Verhältnisse erwartet er jedoch nicht. Die Linke werde Jahre brauchen, um sich zu sammeln. "Ob Rajoy bleibt oder nicht, entscheidet derzeit allein Brüssel", sagt er.

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