Krise in Simbabwe:Wohin mit dem Dieb?

Simbabwe braucht eine Regierung aus Vertretern aller Lager - und dafür eine Einigung über die Zukunft von Präsident Mugabe.

François Grignon

Nachdem Oppositionsführer Morgan Tsvangirai sich heldenhaft zum Ausstieg aus dem Wahlkampf entschlossen hat, wird niemand in der Welt mehr behaupten, dass die Stichwahl in Simbabwe jemals etwas anderes als eine finstere und tödliche Farce sein sollte.

Krise in Simbabwe: François Grignon ist Direktor des Afrika-Programms der International Crisis Group in Nairobi.

François Grignon ist Direktor des Afrika-Programms der International Crisis Group in Nairobi.

(Foto: Foto: oh)

Die Hardliner in der Regierungspartei Zanu-PF von Präsident Robert Mugabe haben ihre absolute Verfügungsgewalt über die staatlichen Institutionen und die Sicherheitskräfte genutzt, um eine Welle der Gewalt und der Einschüchterung gegen Tsvangirais "Bewegung für Demokratischen Wandel" (Movement for Democratic Change, MDC) loszutreten.

Tsvangirai wollte lange Zeit glauben, dass trotz all des Terrors eine reale Wahl immer noch möglich war. Aber nun hat er akzeptiert, dass dies einfach nicht der Fall ist. Ungeachtet des tatsächlichen Ergebnisses hätte sich Mugabe auf jeden Fall zum Sieger erklärt. Es gab keinen Grund, dieses Spiel mitzumachen und einem gestohlenen Sieg den Anschein von Legitimität zu verleihen.

In der ersten Runde der Parlaments- und Präsidentenwahl errang MDC am 29. März klar die Mehrheit im Parlament. Die Bekanntgabe der Präsidentschafts-Ergebnisse wurde um fünf Wochen verzögert, damit Mugabes Unterstützer ihre Überlebensstrategie entwickeln konnten - zum Beispiel die Ergebnisse zu fälschen, um sicherzustellen, dass zwischen dem vorne liegenden Tsvangirai und Mugabe eine Stichwahl nötig sein würde. Auf diese Weise hatte das Regime die Demokratie bereits untergraben, und nach allem, was man hört, beabsichtigte es, bei der Stichwahl erneut genau so vorzugehen.

Die internationale Gemeinschaft muss Tsvangirai beistehen

Die internationale Unterstützung für Mugabe ist schnell verschwunden, sogar bei seinen einstigen Helfern in der Region. Auch Südafrikas Präsident Thabo Mbeki, der regionale Unterhändler, der lange als das schwache Glied bei dem Versuch betrachtet wurde, durch Druck den nationalen Albtraum von Simbabwe zu beenden, gesteht inzwischen ein, dass Mugabe nicht mehr in einer Position ist, aus der heraus er noch auf legitime Weise eine Wahl gewinnen könnte.

Die internationale Gemeinschaft, und vor allem die regionalen Akteure, die die Umfragen verfolgen, müssen Tsvangirai nun beistehen. Sie müssen es Mugabe und seiner Partei kristallklar machen, dass er aus einem selbsterklärten und betrügerischen Sieg keinerlei Legitimität beziehen kann - und dies auch nicht, indem er sich einfach zum Sieger ohne Gegenkandidaten erklärt.

Mugabe sollte es weder erlaubt werden, diese zynische Vorgehensweise zu nutzen, um an der Macht zu bleiben - noch dass er darauf bestehen darf, Verhandlungen mit dem Ergebnis zu führen, das Präsidentenamt an einen selbst auserwählten Nachfolger zu übergeben. Die Führer der Region und der Rest der Welt sollten unmissverständlich die Entscheidung der MDC unterstützen, diese fundamental beschädigte Wahl zu boykottieren. Sie müssen die Botschaft vermitteln, dass sie mit einer betrügerischen Regierung, die zum Machterhalt extreme Gewalt eingesetzt hat, nicht verhandeln werden.

Das Beste für Simbabwe: Eine Regierung ohne Mugabe

Die meisten Parteien und Experten innerhalb und außerhalb des Landes stimmen darin überein, dass das Beste für Simbabwe eine Regierung der Nationalen Einheit zwischen dem MDC und der Zanu-PF, aber ohne Mugabe, wäre. Ein wünschenswertes Ergebnis wäre, vor oder nach der Stichwahl eine Regierung der Einheit auszuhandeln, mit Tsvangirai als Regierungschef sowie einem gemäßigten Zanu-PF-Vertreter in einer untergeordneten Position als Präsident. Darüber laufen zwischen beiden Seiten auch bereits Diskussionen.

Der Stolperstein bei einer solchen Vereinbarung für den Übergang ist die Rolle Mugabes. Tsvangirai lehnt jede Rolle für ihn ab, ist aber offen für eine Teilung der Macht mit einigen Mitgliedern von dessen Partei. Diese Position wird auch von einigen regionalen Schlüsselfiguren unterstützt, die bei der Erarbeitung einer Lösung helfen wollen (unter anderem aus Botswana, Sambia und Tansania).

Dagegen lässt Südafrikas Präsident Mbeki noch nicht völlig von Mugabe ab: Mag er ihm auch keine Chance mehr geben, noch eine Wahl zu gewinnen, so soll dieser nach Mbekis Vorstellung doch als Staatschef so lange im Amt bleiben, bis seine Nachfolge organisiert ist.

Die MDC ist an einige hochrangige Militärvertreter herangetreten, um sie für eine Beendigung der Krise durch Verhandlungen sowie die Wiederherstellung des demokratischen Prozesses zu gewinnen. Doch werden die Hardliner und die Sicherheitsdienste dabei mitmachen? Die derzeitige Gewalt lässt anderes vermuten.

Mehrmals sind führende Oppositionsvertreter festgenommen und eingesperrt worden, um ihren Wahlkampf zu behindern. Ihre Anhänger waren das Ziel von Gewalt, sie wurden gezwungen, aus ihren Häusern zu flüchten, und einige wurden auch genötigt, ihre Registrierungskarten als Wähler herzugeben - wenn sie noch Zugang zu den immer knapper werdenden Lebensmitteln erhalten wollten.

Anarchie und Bürgerkrieg zeichnen sich ab

Rund 100 Unterstützer der MDC sind bisher getötet worden, Hunderte wurden der Folter und Angriffen ausgesetzt. Mehr als 30000 Menschen sind im Zuge dieser neuen Gewaltwelle vertrieben worden. Darüber hinaus haben mehrere Vertreter der Sicherheitsdienste öffentlich erklärt, sie würden Tsvangirai niemals als Staatsoberhaupt anerkennen.

Sie haben zu erkennen gegeben, dass sie sogar in dem Fall, dass der Oppositionsführer siegreich aus einer Wahl hervorgehen würde, die Waffen erheben würden, um ihren Zugriff auf die Macht zu erhalten. Diese Warnung passt zu den Erklärungen von Mugabe, dass er, abgesehen von seinem Sieg, kein Wahlergebnis akzeptieren werde. In einer solchen Atmosphäre hatte Morgan Tsvangirai kaum eine Alternative, als diese Wahl-Farce abzulehnen. Und die Welt muss es ihm gleichtun.

Die Gewalt breitet sich aus in Simbabwe, und Anarchie und Bürgerkrieg zeichnen sich ab - mit dem Risiko, dass es zu einem Riss innerhalb der Sicherheitskräfte kommt. Dies würde gravierende Konsequenzen nicht nur für Simbabwe, sondern auch für den Rest des südlichen Afrikas und auch darüber hinaus haben.

Aber dass es so kommt, ist noch nicht unvermeidlich. Sogar in diesem späten Augenblick gibt es weiterhin mutige Anwälte des Friedens und der Versöhnung, die sowohl im Land wie auch in der Region an einer Verhandlungslösung arbeiten. Sie verdienen internationale Unterstützung.

François Grignon ist Direktor des Afrika-Programms der International Crisis Group in Nairobi. Übersetzung: Detlef Esslinger.

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