Krise in Großbritannien:Komplott gegen Brown

Nach einer neuerlichen Labour-Wahlschlappe planen Kritiker des britischen Premierministers Brown seinen Sturz. Übernimmt Außenminister Miliband?

Wolfgang Koydl

In der britischen Labour-Partei wächst nach einer Reihe von Wahlniederlagen der Missmut über Premierminister Gordon Brown. Britische Medien spekulierten am Sonntag, dass ein Sturz des Premierministers schon im September vollzogen werden könnte. Als ein möglicher Nachfolger gilt Außenminister David Miliband.

Krise in Großbritannien: Gordon Brown steht derzeit in seiner eigenen Partei unter Beschuss.

Gordon Brown steht derzeit in seiner eigenen Partei unter Beschuss.

(Foto: Foto: dpa)

Die Kritik an Brown hatte sich nach dem Verlust des als sicher geltenden Wahlkreises Glasgow East am vergangenen Donnerstag dramatisch verstärkt. Würde man das Ergebnis auf eine Parlamentswahl hochrechnen, hätten nur gut zwei Dutzend Labour-Abgeordnete eine Chance, wieder ins Unterhaus zurückzukehren.

"Überall unwählbar"

"Dank Gordon sind wir überall unwählbar geworden", erregte sich ein ungenannter Labour-Politiker in der Presse. "Gordon hat nun einen kompletten Kartensatz, was verlorene Wahlen angeht. Er hat in London verloren, er hat im konservativen Wahlkreis Henley verloren, wo er Fünfter wurde, er hat in einem Wahlkreis im Herzen der Midlands verloren und jetzt hat er auch noch im eigenen (schottischen) Hinterhof verloren. Er ist von jedem Teil des Landes abgewiesen worden", kritisierte der Politiker.

Für eine Lösung des "Problems" soll es laut den Presseberichten bereits konkrete Pläne geben. Offenbar haben Gegner des Premiers schon einen Brief vorbereitet, in dem sie Brown zum Rücktritt auffordern wollen, wenn er nicht selbst geht. "Es ist sinnlos, etwas im August zu unternehmen, weil niemand im Land ist", gab ein führender Labour-Politiker zu bedenken. "September ist der Monat, in dem es geschehen wird."

Nach diesem Zeitplan würden die Verschwörer in der Fraktion am 1. September Justizminister Jack Straw und Fraktionschef Geoff Hoon kontaktieren. Diese beiden langgedienten Labour-Politiker hätten eine Woche Zeit, Brown zu einem "würdigen" Amtsverzicht zu überreden. Sein Abgang könnte ihm versüßt werden, indem man ihm einen Job bei den Vereinten Nationen anböte. Brown hat das Amt des Premiers erst im Juni 2007 von Tony Blair übernommen.

Sollte Brown nicht im Guten gehen, wären vom 8. September an reihenweise Rücktritte von Staatssekretären und Ministern geplant, die ihren Schritt mit Kritik an Brown begründen würden. Dann würden auch die Gewerkschaften in den Chor der Brown-Kritiker einstimmen. In jedem Fall würde sich das Schicksal des Partei- und Regierungschefs auf dem Labour-Parteitag Ende September entscheiden.

Er hätte noch die Möglichkeit zu einer Abschiedsrede, dann begänne der Kampf um seine Nachfolge. Sechs mögliche Bewerber werden derzeit genannt. Die besten Aussichten haben angeblich Straw, Gesundheitsminister Alan Johnson und Außenminister David Miliband. Straw stellt sich bis jetzt allerdings hinter Brown. Miliband wurde aber unlängst spätabends bei meinem Treffen mit Gewerkschaftsbossen gesehen. Dies ist ungewöhnlich. Denn Miliband hat nur wenige Kontakte zu Arbeiterkreisen.

Die Verschwörer sitzen nicht nur auf den Hinterbänken. Der Abgeordnete Graham Stringer aus Manchester weiß, dass "derzeit auch an der Spitze der Regierung ausgelotet wird, wie man ihn (Brown) loswerden kann".

Ein anderer Abgeordneter warf dem Kabinett vor, zu feige zum Königsmord zu sein: "Da sehe ich nirgendwo Rückgrat." Ex-Minister Michael Meacher warnte, dass die Zeit dränge. "Es muss dieses Jahr geschehen, wir haben nur zwölf bis 15 Monate mit einem neuen Führer vor den Wahlen."

Das nächste Unterhaus muss spätestens im Mai 2010 gewählt werden. Niemand glaubt bisher, dass Brown oder ein Nachfolger einen früheren Termin ansetzt.

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