Süddeutsche Zeitung

Krise im Irak:Steinmeier lobt US-Angriffe auf IS-Terrormiliz

Lesezeit: 4 min

Die USA fliegen Angriffe, Deutschland hilft mit Geld: Die Bundesregierung habe mehr Geld für die Flüchtlinge im Irak freigegeben, sagt Außenminister Steinmeier der SZ. Er lobt das "gezielte Eingreifen" der Amerikaner gegen die IS-Miliz.

Von Nico Fried, Berlin

  • Bundesaußenminister Steinmeier sagt der Süddeutsche Zeitung, die Regierung habe weitere 1,5 Millionen Euro für die Unterstützung der Flüchtlinge im Nordirak freigegeben.
  • Steinmeier lobt den Einsatz der US-Luftwaffe, die Angriffe auf Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) fliegt und Zivilisten mit Nahrung und Wasser versorgt
  • Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, hatte die Bundesregierung zuvor aufgefordert, sich stärker zu engagieren und vorübergehend Flüchtlinge aus dem Irak aufzunehmen.

Bundesregierung gibt weitere Gelder zur Nothilfe frei

Die Bundesregierung erhöht ihre finanzielle Hilfe für die Flüchtlinge im Norden des Irak. "Für Nothilfemaßnahmen haben wir gerade weitere 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. Am Freitag hatte Berlin bereits 2,9 Millionen Euro an Soforthilfe freigegeben.

"Hundertausende gestrandete Menschen, die sich auf der Flucht vor IS-Kämpfern befinden, haben in Kurdistan-Irak Zuflucht gefunden. Diesen Menschen müssen wir helfen", sagte Steinmeier weiter. Er stehe unter anderem in Kontakt mit dem Präsidenten der Region Kurdistan-Irak, Masoud Barzani, "um zu sehen, wie wir in dieser äußerst kritischen Situation Unterstützung anbieten können".

Steinmeier lobt die Amerikaner

Steinmeier stellte sich zugleich eindeutig hinter die amerikanischen Luftangriffe. "Das Vorgehen des IS-Terrorregimes übersteigt alles, was wir bisher an Schreckensszenarien in der Region kannten", sagte er. "Angesichts der humanitären Katastrophe unterstützen wir das gezielte Eingreifen der USA", so der Außenminister. Auch um den weiteren Vormarsch der IS-Miliz in Nordirak aufzuhalten, "sind die US-Maßnahmen wichtig".

Er bekräftigte aber, dass der "Schlüssel für einen stabilen Irak langfristig nur in einer Verständigung zwischen den politischen Kräften und in einer handlungsfähigen Regierung liegen kann, die alle Bevölkerungsgruppen repräsentiert". Laut Steinmeier bedarf es einer "Verständigung zwischen den regionalen Akteuren, um IS einzudämmen und zurückzudrängen". Es liege auch in ihrem Interesse, "den IS-Terror zu stoppen und die angebliche religiöse Legitimierung von IS als ein Lügengebäude zu entlarven", sagte Steinmeier.

Röttgen will Flüchtlinge aufnehmen - "bis sich die Lage verbessert"

Zuvor hatte Norbert Röttgen (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, die Bundesregierung aufgefordert, ihre passive Haltung im Irak-Konflikt grundlegend zu revidieren. Deutschland müsse sich zusammen mit der Europäischen Union "aktiv dafür einsetzen, dass der Terrororganisation IS innerhalb des Irak und in der Region die politische Unterstützung entzogen wird", sagte Röttgen der Welt am Sonntag.

Der CDU-Politiker forderte außerdem die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Irak: Den "um ihr Leben rennenden Menschen" müsse vorübergehend in Deutschland Zuflucht gegeben werden, bis sich die Lage verbessert", sagte Röttgen. Soweit möglich, solle im Irak humanitäre Hilfe geleistet werden.

Grünen-Chef Özdemir nennt US-Luftangriffe "nachvollziehbar"

Auch Grünen-Chef Cem Özdemir nannte die US-Luftangriffe im Nordirak "angesichts der unvorstellbaren Grausamkeit und Gefahren durch die IS-Kämpfer nachvollziehbar". Er habe auch Verständnis, wenn die USA die kurdischen Kämpfer "mit Waffen unterstützen, damit sie sich gegen die IS verteidigen können".

Die Weltgemeinschaft dürfe nicht zulassen, dass die Jahrtausende alte Existenz von Jesiden und Christen in der Region ende, sagte Özdemir der Welt am Sonntag. Wenn Berlin und Brüssel um Unterstützung gebeten würden, "muss auch dort geprüft werden, wie ein Beitrag über die bestehende humanitäre Hilfe hinaus aussehen kann", sagte Özdemir.

Angespannte Situation im Nordirak

Mindestens 20 000 der Jesiden, die ins Sindschar-Gebirge geflohen waren, sind offenbar in Sicherheit. Nach übereinstimmenden Angaben gelangten die Angehörigen der religiösen Minderheit zunächst unbeschadet ins angrenzende Syrien und dann wieder zurück in den Irak.

Tausende Familien waren vor einer Woche aus der Stadt Sindschar vor den Milizen geflüchtet und harrten seitdem praktisch ohne Versorgungsgüter in den Bergen aus.

Ein Vertreter der autonomen Kurdenregierung sagte, etwa 30 000 Flüchtlinge seien von kurdischen Kämpfern wieder zurück in den Irak eskortiert worden. Die jesidische Parlamentsabgeordnete Wian Dachil bezifferte die Zahl der Geretteten mit 20 000 bis 30 000. Sie hatte zuvor gewarnt, für die Rettung der entkräfteten Vertriebenen blieben wegen der glühenden Sommerhitze höchstens ein bis zwei Tage. "Danach werden sie in Massen sterben."

Der Journalist Jonathan Lee Krohn berichtet aus dem Nordirak. Für die britische Zeitung The Telegraph beschreibt er seine Erlebnisse, während er Soldaten der irakischen Armee im Hubschrauber bei einem Rettungseinsatz für die im Sindschar-Gebirge eingeschlossenen Jesiden begleitet. Die Hilfe reiche bei weitem nicht aus, die Lage vor Ort sei dramatisch, schreibt Krohn. Zahlreiche Menschen sollen im Sindschar-Gebirge gestorben sein.

Einsatz der USA

Angesichts der drohenden humanitären Katastrophe hat sich US-Präsident Barack Obama am Donnerstag nach langem Zögern entschlossen, in den Konflikt einzugreifen. Die USA versorgen seitdem die geflüchtete Zivilbevölkerung mit Hilfsgütern aus der Luft. Kampfjets bombardieren Fahrzeuge und Stellungen der IS-Miliz.

Obama hat die amerikanische Bevölkerung auf einen längeren Militäreinsatz vorbereitet. "Ich glaube nicht, dass wir dieses Problem innerhalb von Wochen lösen können", sagte er in Washington vor dem Abflug zu einem zweiwöchigen Urlaub. Es handle sich um "ein langfristiges Projekt". Als einer der nächsten Schritte solle ein humanitärer Korridor geschaffen werden, damit die auf einen Berg im Nordirak geflüchteten Jesiden in Sicherheit gebracht werden könnten.

Großbritannien und Frankreich kündigten an, in den kommenden Stunden ebenfalls Hilfsgüter zu den Flüchtlingen im Nordirak zu schicken. Auch Australien erwägt eine Beteiligung an den Hilfsflügen.

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