Krise im Irak:Bagdad bittet USA um Luftangriffe auf Isis-Kämpfer

Angesichts der Offensive der Terrorgruppe "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" fordert die irakische Regierung offiziell Militärhilfe der USA an - und verweist auf ein Sicherheitsabkommen mit Washington. Kanzlerin Merkel betonte zuvor die "ganz besondere Verantwortung" der USA für die Stabilität des Irak.

  • Die Regierung in Bagdad bitte die USA offiziell darum, Luftangriffe auf Stellungen der Terrorgruppe "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" zu fliegen.
  • Irakische Soldaten und Isis-Milizen kämpfen um die größte Ölraffinerie des Irak. Die Erfolgsmeldungen beider Seiten sind nicht verifizierbar.
  • Merkel betont besondere Verantwortung der USA für den Irak
  • Dutzende ausländische Arbeiter sind verschleppt worden.
  • Iraks Ministerpräsident Maliki feuert ranghohe Militärs.

Irak stellt Anfrage für US-Luftangriffe auf Extremisten

Die irakische Regierung bittet die USA offiziell, sie im Kampf gegen die Kämpfer der Terrorgruppe "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" mit Luftangriffen zu unterstützen. Bagdad habe gemäß einem Sicherheitsabkommen zwischen den beiden Ländern um "Luftangriffe gegen die Terroristengruppen" nachgesucht, sagt der irakische Außenminister Hoschjar Sebari. Das US-Militär bestätigt eine solche Anfrage. Isis hatte vergangene Woche in einer Blitzoffensive Mossul und die umliegende Provinz Ninive sowie Teile der angrenzenden Provinzen in ihre Gewalt gebracht. Vielerorts zog sich die Armee kampflos zurück, zahlreiche Soldaten desertierten.

Größte Ölraffinerie umkämpft

Die Terrorgruppe Isis ("Islamischer Staat im Irak und Syrien") kämpft in Baidschi etwa 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bagdad um die Kontrolle über die größte Ölraffinerie des Landes und besetzte sie wohl zeitweise. Wie die britische BBC meldet, hat das irakische Militär nach eigenen Angaben die Extremisten zurückdrängen können. In anderen Berichten heißt es, die Isis-Kämpfer kontrollierten den Großteil der Anlage. Der Raffineriebetrieb wurde aus Sicherheitsgründen bereits am Dienstag eingestellt.

Baidschi ist für Bagdad strategisch bedeutend. Dort steht auch ein Elektrizitätswerk, das die Hauptstadt mit Strom versorgt. Stundenlang tobten an diesem Mittwoch heftige Kämpfe zwischen Islamisten und Regierungstruppen. Die irakische Armee flog auch Luftangriffe auf Isis-Stellungen.

Merkel betont besondere Verantwortung der USA für den Irak

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht vor allem Amerika in der Verpflichtung, den Vormarsch der Islamisten im Irak zu stoppen. "Natürlich haben die Amerikaner eine ganz besondere Verantwortung", sagt sie in Berlin. Diese werde von Präsident Barack Obama auch bereits wahrgenommen. Zuvor hat Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gesagt, ihr damaliger Einmarsch im Irak verpflichte die USA, sich um die Entwicklung des Landes zu kümmern. Sie müssten auch ein erneutes militärisches Eingreifen in Erwägung ziehen. Nach Ansicht von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) liegt hingegen die Hauptverantwortung nicht bei den USA. Die Ministerin plädiert eher für eine regionale Lösung. Die USA behalten sich eine Militäraktion im Irak vor, um den Vormarsch der Sunnitenmiliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) auf Bagdad zu stoppen. Als eine Option gelten Luftangriffe. Der Einsatz von US-Bodentruppen wurde ausgeschlossen. Jegliche militärische Hilfe aus Deutschland schloss Merkel aus: "Was Deutschland beitragen kann - jenseits jedes militärischen Engagements -, das ist sicherlich zu versuchen, den politischen Prozess mitzubegleiten."

Ausländische Arbeiter entführt

Nach der Eroberung der nordirakischen Großstadt Mossul durch die Isis-Kämpfer fehlt von 40 indischen Arbeitern jede Spur. Es gebe keinen Kontakt zu den Arbeitern, sagt ein Außenamtssprecher in Neu Delhi. Medienberichte über ihre Entführung könne er aber nicht bestätigen. Zuvor hatte die Zeitung Times of India berichtet, die 40 Arbeiter, die auf verschiedenen Baustellen in Mossul beschäftigt waren, seien entführt worden, als sie aus der Stadt in Sicherheit gebracht werden sollten. In der Nähe der Ölstadt Kirkuk sollen etwa 60 Menschen verschleppt worden sein, melden türkische Nachrichtenagenturen unter Berufung auf einen Arbeiter, der entkommen konnte. Unter den Geiseln seien neben 15 Türken auch Arbeiter aus Pakistan, Bangladesch, Nepal und Turkmenistan. In Mossul haben die Extremisten vor einigen Tagen bereits 49 Mitarbeiter des türkischen Konsulats in der Stadt als Geiseln genommen und 31 türkische Lastwagenfahrer entführt. Wegen der wachsenden Unsicherheit will Ankara nun das türkische Generalkonsulat im südirakischen Basra räumen.

Ranghohe Militärs entlassen

Nach dem Vormarsch der Isis-Milizen entlässt der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki mehrere ranghohe Militärs. Diese hätten versagt, ihre Stellungen verlassen und es versäumt, ihre Pflicht zu erfüllen, meldet die Nachrichtenagentur Nina unter Berufung auf eine Mitteilung des Regierungschefs. Von seinen Aufgaben entbunden wird demnach unter anderem Mahdi al-Gharrawi, der für Einsätze in der Region Ninive zuständig war. Die Provinz war die erste, die die Isis-Kämpfer zu Beginn der vergangenen Woche erobert hatten. Die Streitkräfte hatten der Offensive zunächst kaum Widerstand entgegengebracht und waren in Scharen desertiert. Einer der Kommandeure solle deswegen vor ein Kriegsgericht gestellt werden, wie Maliki anordnet. Maliki beschwört in einer Rede im Staatsfernsehen die Einheit aller Iraker beschworen. "Der Irak ist eine Einheit - aus Sunniten, Schiiten, Arabern und Kurden."

Sunniten und Schiiten rufen zu Geschlossenheit auf

Die Isis-Offensive im sunnitisch dominierten Nordirak schürt die Angst vor einer Rückkehr des Bürgerkrieges zwischen den Sunniten und der Bevölkerungsmehrheit der Schiiten. Um dem entgegenzuwirken, rufen Vertreter beider Konfessionen auf einer Krisensitzung in Bagdad zur Geschlossenheit auf. Eine entsprechende Erklärung wurde am Abend im Fernsehen verlesen. An dem Treffen haben neben Maliki, selbst Schiit, auch sein Rivale, der sunnitische Parlamentspräsident Ussama al-Nudschaifi teilgenommen.

Iran will heilige Stätten im Irak schützen

Der iranische Präsident Hassan Rohani versichert, Iran werde alles zum Schutz der heiligen Stätten im Nachbarland Irak tun. Iran warne "die Großmächte, ihre Lakaien, die Mörder und Terroristen", dass das iranische Volk alles zum Schutz der Begräbnisstätten der schiitischen Imame in Kerbela, Nadschaf, Kadhimijah und Samarra tun werde, sagt Rohani bei einer im Fernsehen übertragenen Rede in Choramabad. Rohani hatte dem Irak bereits zuvor Unterstützung im Kampf gegen den Vormarsch der Dschihadisten zugesagt. Die sunnitische Extremistengruppe Isis betrachtet Schiiten als Ketzer und hat gedroht, die von ihnen verehrten Grabmäler der Imame zu zerstören.

Die Isis-Kämpfer kontrollieren nach eigenen Angaben bereits Ortschaften im Nachbarland Syrien und rücken näher an die Stadt Aleppo heran. Auch Manbidsch kurz vor der türkischen Grenze sowie Dörfer um Homs wollen die Dschihadisten erobert haben.

Bombenanschläge in Bagdad

Bei einem Bombenanschlag in Bagdad sind am Dienstag mindestens elf Menschen getötet und mehr als 20 weitere verletzt worden. Nach Angaben von Ärzten und Sicherheitskräften explodierte der Sprengsatz auf einem Markt im mehrheitlich schiitischen Stadtteil Sadr City im Norden der irakischen Hauptstadt. Bei fünf weiteren Bombenanschlägen in Bagdad wurden sechs Menschen getötet und 14 weitere verletzt. Beim Beschuss der Stadt Falludscha westlich von Bagdad starben vier Menschen. Falludscha wird seit mehr als fünf Monaten von Gegnern der irakischen Regierung gehalten.

Leichen von Sicherheitskräften gefunden, Kameramann getötet

Die Polizei hat 18 Leichen irakischer Sicherheitskräfte in der Nähe der mehrheitlich sunnitischen Stadt Samarra gefunden. Diese weisen Einschusslöcher in Kopf und Brust auf. Offen ist, ob sie bei Kampfhandlungen starben oder exekutiert wurden.

Ein irakischer Kameramann des Fernsehsenders Al-Ahad wird in der Nähe der Stadt Bakuba nördlich von Bagdad getötet, sein Reporterkollege verletzt. Wie der Sender auf seiner Website mitteilt, haben beide über den Vormarsch der Isis-Kämpfer berichtet.

USA widersprechen Bagdad bezüglich Saudi-Arabien

Die USA weisen eine Mitteilung der Regierung in Bagdad zurück, in der Saudi-Arabien der Unterstützung der sunnitischen Isis-Kämpfer bezichtigt wurde. Dies sei das Gegenteil von dem, was die irakische Bevölkerung derzeit brauche, sagt Jen Psaki, Sprecherin des US-Außenministeriums, in Washington. In der von Malikis Büro veröffentlichten Mitteilung hieß es unter anderem, Bagdad halte Saudi-Arabien moralisch und in finanzieller Hinsicht verantwortlich für die Taten der Extremisten.

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