Krise des Euro:Luftholen - für ein paar Wochen

A tourist stands in front of the temple of the Parthenon at the the Acropolis hill in Athens

Die Akropolis im sommerlichen Athen: Auch in Deutschland ruht die Debatte um die Euro-Krise.

(Foto: REUTERS)

Die Debatte ruht, die Politiker zeigen sich versöhnlich und großzügig - so wie Finanzminister Schäuble bei seiner Reise nach Athen. Doch die Euro-Krise ist nicht vorbei, sie hat nur einen anderen Charakter. Nach der Bundestagswahl im September wird sich manches ändern.

Ein Kommentar von Cerstin Gammelin, Brüssel

Finanzminister Wolfgang Schäuble reist nach Athen. In seinem Gepäck hat er einige Millionen Euro, mit denen er darbenden Unternehmen helfen will. Es ist eine schöne, versöhnliche Geste. Schäuble, der Sparminister Europas, ist großzügig. Seine Chefin Angela Merkel ist es auch. Sie lud Europäer nach Berlin ein, um zu erklären, wie Jugendliche zu Arbeit und Ausbildung kommen. Damit alles noch versöhnlicher wird, legte sie ein paar Milliarden Euro auf den Tisch.

Der Sommer lässt sich ruhig an, in Deutschland gibt es keine Debatte mehr über die Krise, die Bürger freuen sich über die Ruhe und ein bisschen auch darüber, wie Deutschland den anderen hilft.

Doch die Ruhe des Sommers ist trügerisch. Sie ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass Ende September in Deutschland gewählt wird. Das hat sich in Europa herumgesprochen, und außerdem hat die Bundesregierung kein Interesse daran, vor diesem Termin über weitere finanzielle Belastungen der deutschen Wähler zu reden. Das wird am Tag nach der Wahl ganz anders sein.

Die Bundesregierung hat diesen Wunsch so nachdrücklich formuliert, dass man in Brüssel und Washington, also dort, wo die anderen Krisenpolitiker sitzen, die eine oder andere Tatsache plötzlich vergisst. Christine Lagarde, die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, erklärt plötzlich, ihre Institution werde Griechenland weiter finanziell helfen - freilich unterschlägt sie, dass eine Hilfe nur möglich ist, wenn die Euro-Länder, also auch Deutschland, vorher einige Milliarden Euro nachschießen. Oder die EU-Kommission: Die weiß angeblich nichts von diesem Gegengeschäft, obwohl es in ihrem eigenen Report über Griechenland nachzulesen ist.

Die Krise ist auch im Sommer 2013 keineswegs vorbei, sie hat nur ihren Charakter verändert. Als sie 2010 in aller Wucht ausbrach, erfand Merkel eine Formel zur Befriedung der Krisenherde, die zusammengefasst etwa lautet: Milliarden aus dem Norden gegen Sparprogramme im Süden. Dieser Kompromiss hat seine Gültigkeit behalten, und es ist auch nicht zu übersehen, dass er geeignet war, die am stärksten unter der Krise leidenden Regierungen zu zwingen, ihr Land zu modernisieren. Griechenland könnte dieses Jahr erstmals einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, Irland sogar aus dem Programm entlassen werden. In Spanien hat das Großreinemachen bei den Banken eingesetzt. So gesehen, hat Europa einen ruhigen Sommer vor sich.

Kassensturz im April 2014

Dass es diese Atempause überhaupt gibt, ist allerdings vor allem Mario Draghi von der Europäischen Zentralbank zu verdanken - und nicht Merkels Formelkompromiss. Draghi ist es gelungen, die Finanzinvestoren zu beruhigen. Er hat ihnen versprochen, den Euro mit allen Mitteln zu retten. Und er hat versprochen, die Zinsen niedrig zu halten. Er hat den Euro-Politikern damit die Ruhe verschafft, bis zu diesem Sommer zu kommen - und vor allem den Herbst vorbereiten zu können.

Von September an sind noch einmal fundamentale Reparaturarbeiten an der Währungsmeinschaft nötig, es werden weitere Milliarden aus dem Norden gefordert, um die Union zu kitten. Direkt nach der Bundestagswahl müssen die Euro-Politiker über Irland, Griechenland, Portugal und Slowenien entscheiden. Irland soll im Dezember an die Märkte gehen - freilich nicht ohne einen finanziellen Krückstock für die erste Wegstrecke. Irland wird also ein Kreditprogramm light bekommen. Portugal wird es nicht schaffen, wie vorgesehen ab Mitte 2014 aus eigener Kraft zu wirtschaften, sondern ein zweites Hilfspaket benötigen. Und einige Milliarden Euro werden die slowenischen Banken brauchen.

Über allem aber schwebt Hellas. Griechenland bleibt der größte Gefahrenherd in der Euro-Zone. Eigentlich im September, wegen der Bundestagswahl aber ein paar Wochen später, werden die Euro-Länder einige Milliarden Euro nachschießen müssen, damit der IWF als Helfer an Bord bleibt. Und spätestens im April 2014 wird es den ganz großen Kassensturz geben. Was danach kommt, darüber kann jetzt nur spekuliert werden.

Sicher ist, dass sich die Bundesregierung im Frühherbst des vergangenen Jahres dafür entschieden hat, dass alle Länder in der Währungsunion bleiben sollen. Auch Griechenland. Daran wird die nächste Bundesregierung festhalten, egal, wie sie aussieht. Halbwegs sicher lässt sich deshalb schon heute sagen, dass die gemeinsame Währung nur dann überleben wird, wenn die nächste Bundesregierung weitere Zugeständnisse macht. Und zwar nicht nur finanzielle, sondern grundsätzliche. Sie muss das weiterführen, was Merkel und Schäuble im sommerlichen Wahlkampf vorleben: sich großzügig zeigen.

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