Krise der Sozialdemokraten:Die große Koalition zermürbt die SPD

SPD-Vorsitzende Andrea Nahles

Ratlos nach einer weiteren Niederlage: Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles und Generalsekretär Lars Klingbeil

(Foto: Getty Images)

Merkels angekündigter Rückzug setzt die Sozialdemokraten noch stärker unter Druck. Aus dieser Lage werden sie aber nicht herausfinden, solange sie im Bündnis mit der Union bleiben.

Kommentar von Ferdos Forudastan

Ganz gleich, was die SPD macht, sie bleibt bis auf Weiteres eine Getriebene: getrieben von einem schlechten Wahlergebnis nach dem anderen, getrieben vom innerparteilichen Streit über den künftigen Kurs der Partei, getrieben nun auch von der Entwicklung in der CDU. Dass Angela Merkel den Vorsitz der CDU abgibt, sorgt zwar für heftige Turbulenzen in der Union und weit über sie hinaus. Die Ankündigung Merkels absorbiert auch jede Menge öffentliche Aufmerksamkeit. Sie verschafft den Sozialdemokraten aber trotzdem nicht die Atempause, die sie gerade jetzt gut gebrauchen könnten, um sich darüber klar zu werden, wie es mit ihnen weitergehen soll.

Im Gegenteil: Dass ausgerechnet in der CDU nun Entscheidendes in Bewegung gerät, setzt die SPD noch weiter unter Druck. Dass die Christdemokraten sich jetzt als die Kraft präsentieren, die dem Bedürfnis vieler Wähler nach Erneuerung Rechnung trägt, dass sie den Eindruck erwecken, nach der für CDU und SPD desaströsen Wahl in Hessen Konsequenzen zu ziehen, bringt die Genossen in eine noch schwierigere Lage. Es ist eine Lage, aus der sie sich vorerst nicht befreien können, indem sie nach ein paar Monaten schon wieder ihre Vorsitzende auswechseln. Es ist aber eine Lage, aus der sie wohl kaum herausfinden, solange sie im Bündnis mit der Union bleiben.

Die Sozialdemokraten haben sich beharrlich selbst zerfleischt

Mag sein, dass dieses Bündnis ohnehin nicht mehr lange hält, dass der Verzicht Merkels auf den Parteivorsitz die Dinge ins Rutschen bringt und die Regierung bricht. Aber solange Schwarz-Rot weitermacht, wird die SPD mit der Frage konfrontiert sein, wie sie es hält mit dieser Konstellation, die ihre Krise bislang immer weiter verschärft.

Gut möglich, dass sich in den Wochen bis zum CDU-Parteitag Anfang Dezember erst einmal alles um die Frage dreht, wer Merkel beerbt. Aber spätestens nach diesem Termin und unabhängig von der Frage, ob Merkel ein eher Konservativer nachfolgt oder eine halbwegs Fortschrittliche, werden die Diskussionen in der SPD über die Frage "drinbleiben oder rausgehen" wieder aufbrechen. Und jeder Konflikt, den das Regieren von Union und SPD mit sich bringt, wird diese Diskussionen weiter anheizen.

Führende Sozialdemokraten mögen noch so heftig beteuern, dass ab jetzt alles anders werden müsse, dass der Koalitionsvertrag schneller und störungsfreier abzuarbeiten sei, dass die SPD ihre Positionen viel kenntlicher als bisher machen und man sich nicht mehr so viele Pannen leisten werde wie bisher - die Geduld großer Teile der sozialdemokratischen Basis ist ebenso aufgebraucht wie das Vertrauen vieler Wähler in die SPD. Gewiss, die Genossen haben - etwa mit dem Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit oder dem Gute-Kita-Gesetz - schon einiges in dieser Koalition durchgesetzt, was ohne sie und ihre Beharrlichkeit auf der Strecke geblieben wäre.

Aber sie haben beharrlich nicht vermittelt, dass diese Erfolge mit ihrem Einsatz verknüpft sind, haben sich stattdessen beharrlich selbst zerfleischt. Und es spricht, verunsichert und aufgerieben wie die Partei nach den vielen kleinen und großen Fehlern und Niederlagen der vergangenen Jahre ist, nahezu nichts dafür, dass sich das in absehbarer Zeit ändert. Nein, niemand kann mit Sicherheit sagen, dass die SPD in der Opposition erstarken würde. Aber ziemlich sicher ist, dass sie in dieser Regierung immer schwächer wird.

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