Krise der Lira:Türkisches Doppelspiel

Präsident Erdoğan trägt die Verantwortung für die Krise der Lira.

Von Christiane Schlötzer

Das ist nicht unsere Krise, sagt Recep Tayyip Erdoğan, die Türkei sei das Opfer von "Manipulationen". Für all die türkischen Firmen, die wegen des Liraverfalls vor dem Bankrott stehen, dürften die Worte des Präsidenten am Donnerstag kein Trost gewesen sein. Fremde Mächte oder "den Westen" für jedes Unglück, das der Türkei widerfährt, verantwortlich zu machen, ist quasi eine alte türkische Tradition. Heutzutage aber wirkt das Leugnen der wirtschaftlichen Realitäten wie ein Bumerang: Unmittelbar nach Erdoğans Auftritt fiel die Lira noch weiter in den Keller.

Kurz darauf tat die türkische Zentralbank, was sie tun musste: Sie erhöhte die Zinsen - und zwar weit kräftiger als erwartet. Das stützte die Lira zumindest wieder ein wenig. Was die Währungshüter verfügten, wollte Erdoğan unbedingt vermeiden. Der Präsident hält Zinsen für die Ursache allen Übels.

Das Doppelspiel zwischen Bank und Präsident ist bemerkenswert. Der Präsident sagt kurz vor der Zinsentscheidung, dass er anderer Meinung ist, dann darf die Bank zeigen, dass sie unabhängig ist. Das ist ein riskantes Spiel. Denn an der türkischen Krise ist vieles hausgemacht, wenn auch in der Tat nicht alles. Es ist das politische System, das die Wirtschaft schwächt. Und daran wird sich so schnell nichts ändern.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: