Neue Studie:Die unbeliebten Türken

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Die Türken wünschen sich mehr Kontakt, doch die Deutschen zeigen ihnen die kalte Schulter: Nach einer Studie, die der SZ vorliegt, ist keine andere Nationalität in Deutschland so unbeliebt wie die Türken.

M. Drobinski, J. Käppner, N. Fried und P. Blechschmidt

Die Integrationsdebatte in Deutschland erhält durch eine Umfrage unter deutschen und türkischen Jugendlichen neue Nahrung. Nach einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) sind Türken bei deutschen Jugendlichen ausgesprochen unbeliebt - dagegen wünschen sich junge Türken durchaus Kontakt zu Deutschen. Für KFN-Direktor Christian Pfeiffer ist diese Ablehnung einer der Gründe für Vorurteile türkischer Jugendlicher gegenüber Deutschen.

Ein Integrationskurs in Freising. Wie eine Studie nun zeigt, sind Türken bei deutschen Jugendlichen besonders unbeliebt - wohingegen sich junge Türken den Kontakt zu Deutschen wünschen. (Foto: dpa)

Die Untersuchung gewinnt ihre Brisanz durch die gegenwärtige Debatte um die Rolle der muslimischen Migranten und des Islam in Deutschland. Das KFN hatte knapp 1600 türkischstämmige und mehr als 20.000 deutsche Jugendliche gefragt, wen sie gerne als Nachbarn hätten. 40,9 Prozent der Türken sagten, sie fänden deutsche Nachbarn "sehr angenehm", weitere 16,3 Prozent fänden sie "angenehm". Neun Prozent lehnten deutsche Nachbarn ab.

Deutsche Jugendliche dagegen fänden es nur zu 9,2 Prozent "sehr angenehm", wenn Türken neben ihnen wohnen würden; 38 Prozent mögen keine türkischen Nachbarn. Damit rangieren Türken auf dem letzten Rang der Beliebtheitsskala, hinter Schweden, Italienern, Schwarzafrikanern, Juden und Osteuropäern. "Die Türken wünschen sich mehr Kontakt zu den Deutschen, aber die Deutschen zeigen ihnen die kalte Schulter", sagte Pfeiffer.

Der KFN-Chef räumte ein, dass auch schlechte Erfahrungen deutscher Jugendlicher mit türkischen Altersgenossen zu diesem negativen Ergebnis beigetragen hätten. "Es gibt eine Macho-Kultur, die hier Probleme macht", sagte er. Ein Forschungsbericht des Instituts hatte im Juni gezeigt, dass ein Viertel der befragten Nichtdeutschen schon einmal bewusst einen Deutschen beschimpft hatte; 4,7 Prozent hatten schon einmal absichtlich einen Deutschen geschlagen.

Je mehr Kontakt, desto weniger Vorurteile

Nach den Erkenntnissen des KFN sind die Vorurteile gegenüber Deutschen umso geringer, je mehr Migranten und Deutsche Kontakt miteinander haben. Auch äußerten türkische Realschüler und Gymnasiasten kaum Stereotypen gegenüber Deutschen, erklärte Pfeiffer. "Die sogenannte Deutschenfeindlichkeit von Muslimen ist ein Bildungsproblem."

In der politischen Debatte um die Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) über einen möglichen Zuzugsstopp für Muslime vermied es Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), sich vom CSU-Chef abzugrenzen. "Es war eine Bemerkung, die auf die Fachkräfte zugeschnitten ist", sagte Merkel bei einem Besuch in Bulgarien. Seehofer hatte gesagt, dass sich Zuwanderer aus der Türkei und islamischen Ländern "insgesamt schwerer tun". Er hatte sich daher gegen "zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen" ausgesprochen.

Am Montag fügte er hinzu, er habe sich dabei auf Fachkräfte bezogen. Merkel, die nach Angaben der stellvertretenden Regierungssprecherin Sabine Heimbach am Morgen länger mit Seehofer telefoniert hatte, machte sich diese Interpretation zu eigen. Seehofer selber sagte bei einem Symposium in München, statt über weitere Zuwanderung zu reden "sollten wir endlich sehen, welche Sorgen unsere Bevölkerung beim Thema Immigration hat".

FDP-Generalsekretär Christian Lindner kritisierte, Horst Seehofers Äußerungen hätten "weniger mit den Erfordernissen des Arbeitsmarktes als mit der Positionierung der Konservativen zu tun". Die Forderungen des CSU-Chefs seien "zu pauschal, weil sie nicht zwischen einem ungelernten Arbeiter aus Anatolien und einer Ärztin aus dem Iran unterscheiden".

© SZ vom 12.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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