Kriminalstatistik:Manipulationen waren schon lange bekannt

Im Magdeburger Innenministerium fielen Merkwürdigkeiten in Rechtsextremen-Statistik bereits im Sommer auf.

Constanze von Bullion

Im Innenministerium von Sachsen-Anhalt ist die Manipulation der Kriminalstatistik früher aufgefallen als bisher angegeben. Das räumte am Freitag Ministeriumssprecher Martin Krems ein. "Mit dem Vorliegen der August-Statistik ist man sich in der Fachabteilung sehr kritisch bewusst geworden, dass der Rückgang rechtsextremistischer Straftaten in Korrelation zum starken Anstieg von Straftaten ohne explizite politische Motivation steht", sagte Krems.

Die zuständigen Beamten seien "misstrauisch" geworden und hätten sich am 17. September beim Landeskriminalamt (LKA) erkundigt, warum die rechtsextremen Straftaten stark zurückgegangen seien, während Delikte ohne ausdrücklich politische Motivation um 179 Prozent angestiegen seien.

Innenminister Holger Hövelmann (SPD) habe erst am 5. November erfahren, dass das LKA bei der Führung der Statistik zu einer neuen Zählweise übergegangen war. Er sei "aus allen Wolken gefallen", so sein Sprecher. Hövelmann habe den Fehler sofort korrigiert. LKA-Direktor Frank Hüttemann ist am Mittwoch zurückgetreten.

Die Opposition im Landtag kritisierte den Rücktritt als "Bauernopfer". Nun gibt es Hinweise, dass nicht das Landeskriminalamt, sondern das Innenministerium die Manipulation der Zahlen angeleitet haben könnte.

Der Süddeutschen Zeitung liegt die dienstliche Erklärung des ehemaligen Staatsschutzchefs von Dessau, Sven Gratzik, vor. Sie stammt vom 25. April 2007 und gehört zu den Unterlagen eines Untersuchungsausschusses im Landtag. Sie sind dem Ministerium mindestens seit Juni bekannt.

Praxis von oberster Stelle erwünscht

In der dienstlichen Erklärung beschwert sich Gratzik bei seiner Polizeipräsidentin, dass der Bekämpfung des Rechtsextremismus "derzeit politisch keine Priorität eingeräumt wird, auch wenn es nach außen anders dargestellt wird". Die Beamten, die politische Delikte verfolgen, würden behindert. Die "hohen Fallzahlen", die sie in Dessau ermittelt hätten, seien kritisiert worden, ihre Arbeit sei "nicht mehr erwünscht".

Als Gratzik sich bei der Leiterin des Zentralen Kriminaldienstes, Kriminaloberrätin Heusmann, beschwert habe, soll diese erwidert haben, die neue Praxis sei von oberster Stelle erwünscht, das LKA "hätte vom Ministerium des Innern den Auftrag, die Fallzahlen der politischen Kriminalität zu bereinigen."

Deshalb, heißt es weiter, werde es "nichts bringen, festgestellte Fehlbereinigungen zu kritisieren". Heusmann war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Der Ministeriumssprecher widersprach dem Eindruck, Beamte seines Hauses hätten Anweisung gegeben, die Statistik zu schönen. Das Wort "bereinigen" sei als Routinevorgang zu verstehen, bei dem schon gemeldete Fälle überprüft würden, bevor man sie veröffentliche.

Im Dezember 2006 habe ein Ministerialbeamter bei einem Treffen mit sechs Leitern der Zentralen Kriminaldienste lediglich "ganz allgemein" über die Merkmale politischer Straftaten gesprochen.

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