Süddeutsche Zeitung

Krim-Premier Sergej Aksjonow:Putins böser "Kobold"

Er lässt sich als Held feiern, der die ukrainische Halbinsel "nach Hause" bringt, zu Mütterchen Russland. Sergej Aksjonow ist Putins starker Mann auf der Krim. War er früher, wie Kritiker und angebliche Weggefährten behaupten, ein "Vollstrecker" der Mafia?

Von Michael König

Es scheint auf der Krim mindestens zwei Menschen mit dem Namen Sergej Aksjonow zu geben. Der eine soll Mitte der neunziger Jahre Anführer einer kriminellen Bande gewesen sein, beteiligt an Erpressungen und anderen Straftaten, bekannt unter dem Spitznamen "Goblin", böser Kobold.

Der andere ist Unternehmer und Politiker, Vorsitzender der Partei "Russische Einheit" und seit dem 27. Februar Ministerpräsident der Krim. Er hat das Referendum anberaumt, in dem sich am Sonntag mehr als 96 Prozent der teilnehmenden Krim-Bewohner für die Abspaltung von der Ukraine ausgesprochen haben. "Wir kehren nach Hause zurück", sagte er am Abend in Simferopol. Er wird in den kommenden Tagen nach Moskau reisen und Präsident Wladimir Putin um die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation bitten. Er ist damit zum Gesicht einer internationalen Krise geworden, die den Frieden zwischen Ost und West bedroht.

Was hat der Politiker Aksjonow mit dem "Kobold" Aksjonow zu tun? Nichts, sagt der Politiker. "Strafverfolgungsbehörden auf allen Ebenen haben sich mit mir befasst. Wie Sie sehen können, geht es mir trotzdem gut", sagte er in einem Fernsehinterview. Er sei das Opfer einer Verleumdungskampagne. Geschichten über angebliche Verbindungen zur Mafia seien erst aufgetaucht, als er sich 2008 politisch engagiert habe.

Regenschirme statt geschmuggelter Zigaretten

Wer Gegenteiliges behauptet, den stempelt Aksjonow als "verrückt" ab, "mit echten psychischen Problemen". So geschehen im Fall des Geschäftsmannes Anatolij Los, der dem US-Magazin Time aus gemeinsamen Zeiten mit Aksjonow erzählte. Demnach ging aus dem Verbrecher Aksjonow der Politiker hervor. Mitte der neunziger Jahre sei er Mitglied eines Syndikats namens "Salem" gewesen, das mit Zigarettenschmuggel und Erpressungen Geld verdient habe. Aksjonow alias "Kobold" sei ihr "Vollstrecker" gewesen, sagt Los. Das deckt sich mit den Schilderungen anderer Zeitzeugen, die westliche Reporter in den vergangenen Tagen und Wochen auf der Krim gesammelt haben.

Aksjonow will davon nichts wissen. Er wehrte sich in der Vergangenheit erfolgreich vor Gericht gegen ähnliche Vorwürfe. Nach seinen Geschäften gefragt, sagte der Politiker zu Time, er habe statt geschmuggelten Zigaretten damals Regenschirme verkauft. Je nach Quelle hat er später auch mit Autoteilen, Immobilien und Lebensmitteln Geld verdient. Auf der Website des Obersten Rates der Autonomen Republik Krim schreibt Aksjonow, er habe seine Karriere 1993 als stellvertretender Direktor der Genossenschaft "Ellada" begonnen. Später habe er dieselbe Position bei einer Firma namens "Asteriks" übernommen. Seit April 2001 sei er stellvertretender Direktor der Firma "Eskada".

"Das war's, ihr habt kein Land mehr"

Über sein Privatleben ist nicht viel bekannt. Nach eigenen Angaben wurde Aksjonow 1972 in der damaligen Sowjetrepublik Moldawien geboren. Ende der achtziger Jahre kam er zum Studium an einer Militärhochschule auf die Krim, das er 1993 beendete. Er ist verheiratet, hat eine Tochter und einen Sohn. Sein Großvater soll nach dem Zweiten Weltkrieg als Soldat der Roten Armee in Potsdam stationiert gewesen sein. Sein Vater habe für die Rechte der russischen Minderheit in Moldawien gekämpft, als sich die sowjetische Teilrepublik Ende der achtziger Jahre von Moskau lösen wollte.

Auch der Sohn wollte für die Sowjetarmee kämpfen, doch der Zusammenbruch der Sowjetunion kam ihm zuvor. "Uns wurde damals an der Akademie gesagt: 'Das war's, ihr habt kein Land mehr, dem ihr dienen könnt. Nun leistet einen Eid auf die unabhängige Ukraine'."

2008 ging Aksjonow in die Politik. Er schweißte mehrere moskautreue Organisationen zur Partei "Russische Einheit" zusammen, die bei den Wahlen 2010 auf vier Prozent der Stimmen kam - der ukrainischen Zeitung Kyiv Post zufolge unterstützt von Geschäftsmännern wie dem ukrainischen Gasmilliardär Dmitrij Firtasch. Dieser sitzt wegen Bestechung und Bildung einer kriminellen Vereinigung in Wien in Untersuchungshaft. Aksjonow streitet das ab, er spricht von "Lügen".

Abstimmung hinter verschlossenen Türen

Am 27. Februar 2014 wurde aus dem Provinzpolitiker Aksjonow schließlich Putins Mann auf der Krim. Nach dem Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch trommelte er auf der Halbinsel prorussische Demonstranten und Milizen zusammen. Sie stürmten das Parlamentsgebäude, wo Aksjonow hinter verschlossenen Türen zum neuen Krim-Premier gewählt wurde - angeblich mit 53 von 100 Stimmen. Wer an der Sitzung teilnahm und wie abstimmte, ist umstritten. Kurz darauf rief Aksjonow Putin um Hilfe und die Krise nahm ihren Lauf.

Aksjonow sagt: "Ich wurde als Krisenmanager auserwählt. Alle anderen sind davongelaufen. Niemand wollte nur ein Jota Verantwortung übernehmen. Also war ich gezwungen, es selbst zu machen." Obwohl er Putin noch nie persönlich gesprochen habe, habe ihn dieser als Repräsentant der Krim anerkannt. In den kommenden Tagen könnte es nun zu einem Treffen kommen - zwischen Putin, dem Präsidenten und Aksjonow, dem Politiker, der kein Kobold sein will.

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