Kriegsverbrechen:"Mir geht es um Gerechtigkeit"

Wegen eines Verfahrensfehlers des Bundeskriminalamts musste ein syrischer Ex-Geheimdienstler aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Doch die Ermittlungen sollen weitergehen.

Von Lena Kampf, Berlin

Überlebende des syrischen Foltersystems sind weiterhin zuversichtlich, dass mutmaßliche Täter in Deutschland vor Gericht gestellt werden. Nachdem am Freitag ein ehemaliger syrischer Geheimdienstmitarbeiter wegen möglicher juristischer Fehler aus der Untersuchungshaft entlassen werden musste, setzen die Opfer ihre Hoffnungen in die Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Auch Patrick Kroker vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), der gemeinsam mit syrischen Rechtsanwälten einige der Opfer als Zeugenbeistand begleitet, bekräftigt, dass die Ermittlungen gegen Eyad A. trotz der Aufhebung des Haftbefehls weitergehen müssen.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat sich als weltweit führende Ermittlungseinheit aufgestellt, um die systematischen Menschenrechts- und Kriegsverbrechen des syrischen Assadregimes während des nun mehr als achtjährigen Krieges aufzuklären. "Mir geht es um Gerechtigkeit und ein faires Verfahren", sagt ein Zeuge, der momentan anonym bleiben möchte, der Süddeutschen Zeitung. Er sei weiter bereit, in einem Prozess auszusagen.

Im Februar hatte die für die Verfolgung von Terrorismusstraftaten und Kriegsverbrechen zuständige Bundesanwaltschaft zwei mutmaßliche syrische Kriegsverbrecher in Berlin und Rheinland-Pfalz festnehmen lassen: Anwar R., Leiter einer Ermittlungsabteilung des syrischen Geheimdiensts, der Folterungen in seiner Abteilung verantwortet haben soll, befindet sich in Haft. Und Eyad A., der 2011 und 2012 als Leiter einer Eingreiftruppe an einem Checkpoint nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus stationiert war und dort Demonstranten verfolgt und inhaftiert haben soll, die teilweise später gefoltert wurden. Gegen Eyad A. wird wegen Beihilfe zur Folter in 2000 Fällen und Beihilfe zum Mord in zwei Fällen ermittelt. Doch seit Freitag ist Eyad A. wieder frei. Der Haftbefehl wurde nach einem Antrag des Anwalts von A. vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Eyad A. ist im Mai 2018 als Asylsuchender nach Deutschland gekommen und hatte während seines Asylverfahrens Angaben zu seiner Rolle gemacht. Er wurde daraufhin vom Bundeskriminalamt als Zeuge vernommen - und hätte dabei bereits als Beschuldigter belehrt werden müssen, so sein Verteidiger. Der Generalbundesanwalt hat Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt.

Viele Überlebende sagen in Deutschland als Zeugen gegen ihre ehemaligen Peiniger aus

Die Karlsruher Staatsanwälte ermitteln seit 2011 und sind weltweit die ersten, die Haftbefehle gegen Folterer und Befehlshaber erwirken konnten. So etwa im vergangenen August gegen Jamil Hassan, den Chef des Luftwaffengeheimdienstes, der nun international zur Fahndung ausgeschrieben ist. Er soll für systematische Folter und Misshandlung von Inhaftierten in den Gefängnissen des Luftwaffengeheimdiensts verantwortlich sein.

Während Machthaber Baschar al-Assad einem Sieg über einen Großteil Syriens nahe ist, geht der Krieg gegen die eigene Bevölkerung im Verborgenen weiter. In Gefängnissen und geheimdienstlichen Abteilungen nutzt das Regime ein System von Unterdrückung, um die Opposition zu brechen. Willkürliche Misshandlungen und Tötungen von Häftlingen sind so massiv, dass Ermittler der Vereinten Nationen in einem Bericht von gezielter "Vernichtung der Zivilbevölkerung" sprechen.

Dass die mutmaßlichen Folterer in Deutschland nicht mehr sicher sind, ist ein wichtiges Signal für die Überlebenden, die als Flüchtlinge hier Schutz gesucht haben. Viele haben als Zeugen gegen ihre ehemaligen Peiniger ausgesagt, die Verfahren des Generalbundesanwalts stützten sich zum Teil auf ihre Aussagen.

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