Kriegsentschädigungen:Tadel aus Berlin

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Gewolltes Missverständnis - Kommentar von Constanze von Bullion

Der Vorstoß von Bundespräsident Gauck zur Wiedergutmachung kommt in Athen gut an, daheim aber nicht überall.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Anregung von Bundespräsident Joachim Gauck, Wiedergutmachung für deutsche Kriegsverbrechen in Griechenland auszuloten, hat eine lebhafte Debatte ausgelöst. Während die Grünen die Initiative begrüßten und Entschädigung auch für sowjetische Kriegsgefangene forderten, kam aus der Union Kritik. Die ehemalige Vertriebenpräsidentin Erika Steinbach (CDU) meldete sich am Montag mit einer achtseitigen Liste deutscher Leistungen für Kriegsschäden zu Wort. "Alle Bundesregierungen haben sich seit 1949 nach Kräften und mit Erfolg bemüht, das von den Nationalsozialisten begangene Unrecht zu entschädigen", so Steinbach. Dies gelte es anzuerkennen. Auch sei es "nicht angeraten, den Krieg rückwirkend für nicht beendet" erklären zu wollen. Dass Politiker neue Reparationsforderungen stellten, "sei angesichts immer neuen Geldbedarfs nicht ungewöhnlich".

Gauck hatte in der Süddeutschen Zeitung eine "Art Wiedergutmachung" für Verbrechen angeregt, die die deutsche Wehrmacht in Griechenland während des Zweiten Weltkriegs begangen hat. "Es ist richtig, wenn ein geschichtsbewusstes Land wie unseres auslotet, welche Möglichkeiten von Wiedergutmachung es geben könnte", sagte er. Gauck betonte, er trage keine andere Rechtsauffassung vor als die Bundesregierung. Diese lehnt Reparationen mit Verweis auf den Zwei-Plus-Vier-Vertrag von 1990 ab. Auch Gauck kommt daran nicht vorbei. Im Gespräch war aber schon bei seiner Griechenlandreise 2014 eine Stiftung wie die für ehemalige NS-Zwangsarbeiter. Denkbar wäre auch, den Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds auszubauen, der Erinnerungsarbeit fördert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in ihrem Video-Podcast mit Blick auf Griechenland, es gebe "keinen Schlussstrich" unter die Geschichte. Zu Entschädigungsforderungen äußerte sie sich nicht. Der stellvertretende griechische Finanzminister Dimitris Mardas hatte kürzlich 278 Milliarden Euro gefordert. Merkels Sprecher sagte am Montag, Gaucks Rechtsauffassung entspreche der der Regierung. Wie Wiedergutmachung aussehen könne, die über bisherige Maßnahmen hinausgehe, könne er nur selbst erläutern.

Die griechische Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou begrüßte Gaucks Anstoß und sprach von einer "Erklärung von historischer Bedeutung". Damit gebe Deutschland zu, dass es notwendig sei, Entschädigungen an Griechenland zu untersuchen. Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) nannte Gaucks Vorschlag problematisch. "Andere Länder können mit einer ähnlichen Begründung wie die griechische Regierung auf uns zukommen und Entschädigungen einfordern", sagte er der Passauer Neuen Presse. Kritik kam auch vom stellvertretenden Sprecher der Alternative für Deutschland, Alexander Gauland: Der Bundespräsident dürfe "deutsche Interessen" nicht aus den Augen verlieren.

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