Ukraine-Krieg:Am Nachmittag ist ausgeredet

Krieg in der Ukraine: Unterhändler Michail Podoljak

"Die Ukraine - das ist ein freier Dialog", Russland bedeute "ultimative Unterdrückung": der ukrainische Präsidentenberater und Unterhändler Michail Podoljak, hier nach einer der vorigen Verhandlungsrunden mit Russlands Vertretern.

(Foto: Sergei Kholodilin/Belta/ REUTERS)

Unterhändler Kiews und Moskau haben wieder getagt - ergebnislos. Doch erste Signale könnten andeuten, dass Russland trotz der massiven Angriffe in der Ukraine nicht in der Position für Maximalforderungen ist.

Von Frank Nienhuysen

Woher die Hoffnung kommen sollte, konnte oder wollte niemand genau sagen. Aber für manche war sie da. Zum vierten Mal trafen sich am Montag russische und ukrainische Unterhändler, diesmal allerdings per Videoschalte, um über Fortschritte oder sogar eine Einigung im Krieg zu reden. Das russische Delegationsmitglied Leonid Sluzkij hatte vor Beginn der Gespräche gesagt, dass beide Seiten seit Beginn der ersten Verhandlungsrunde deutliche Verbesserungen erzielt hätten. Aber dass es grundsätzliche Fortschritte sein könnten auf dem Weg zu einem Waffenstillstand, sogar zu einer politischen Lösung, all das zeichnete sich am Montag zunächst nicht ab. Nicht einmal der Nachmittag war vorübergegangen, da wurden die Verhandlungen bereits aufgrund "einer technischen Pause" unterbrochen und für diesen Dienstag neu angesetzt.

Der ukrainische Präsidentenberater und Unterhändler Michail Podoljak veröffentlichte am Montagvormittag per Twitter ein Foto von sich im kühlen Konferenzraum, olivgrün gekleidet, vor sich geteilte Bildschirme, hinter sich die blau-gelbe ukrainische Nationalfahne. Dazu die klare Haltung: "Frieden, sofortiger Waffenstillstand, Abzug sämtlicher russischer Streitkräfte. Und erst danach können wir über irgendwelche nachbarschaftlichen Beziehungen und politische Regelungen sprechen", schrieb Podoljak. Es wirkte, als sei das Selbstbewusstsein in diesen Tagen ganz auf ukrainischer Seite.

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Podoljak stand sogar der Sinn für etwas Spott Richtung Russland. Er twitterte, dass die Kommunikation recht schwierig sei, und dass der Grund für die bisherige Uneinigkeit die verschiedenen politischen Systeme seien. "Die Ukraine - das ist ein freier Dialog in der Gesellschaft und die Notwendigkeit des Konsenses." Russland dagegen bedeute "die ultimative Unterdrückung der eigenen Gesellschaft". Entsprechend vorsichtig hatte sich Selenskijs Berater vor Beginn der Verhandlungsgespräche gegeben. "Obwohl Russland sich der Sinnlosigkeit seines aggressiven Vorgehens bewusst ist, hängt es der Illusion nach, dass 19 Tage Gewalt gegen friedliche Städte die richtige Strategie sind", schrieb Podoljak.

Vor einem Treffen mit Selenskij dürfte Putin zurückscheuen - es wäre ein Ansehensverlust

In einer Videoansprache hatte Präsident Selenskij zuvor auf direkte Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gedrängt. "Unsere Delegation hat eine klare Aufgabe - alles zu tun, um ein Treffen der Präsidenten zu ermöglichen", sagte Selenskij am späten Sonntagabend. Der Kreml sagte dazu, man werde ein solches Treffen nicht ablehnen, wenn es um "spezifische Fragen" gehe.

Vor einem direkten Treffen mit Selenskij dürfte Putin allerdings noch zurückscheuen, denn es käme für den Kremlchef einem Ansehensverlust gleich. Putin hatte die ukrainische Führung in Kiew als eine Bande von Neonazis und auch noch als drogensüchtig bezeichnet. Erste vorsichtige Signale aus Moskau könnten deshalb ein Indiz dafür sein, dass Russland trotz der massiven Bombardierungen in der Ukraine im Moment nicht in der Verhandlungsposition ist, um an seinen maximalen Forderungen festzuhalten. Dafür könnte auch sprechen, dass der ehemalige russische Außenminister Igor Iwanow am Montag alle Seiten zur Rückkehr zur Diplomatie aufgefordert hat. Die Ukraine wurde allerdings angegriffen.

Moskau hat zuletzt davon abgesehen, eine neue Führung in Kiew als Ziel der Angriffe auszugeben. Es besteht allerdings darauf, dass die Ukraine die von Russland 2014 annektierte Halbinsel Krim als Teil Russlands akzeptiert. Und zudem die ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten. Dazu aber ist der ukrainische Präsident Selenskij derzeit nicht bereit. Womöglich spekuliert er darauf, dass sein Land trotz der zunehmenden Not den militärischen Widerstand noch länger fortsetzen kann. Er deutete als politisches Zugeständnis bisher vor allem an, unter der Bedingung von internationalen Sicherheitsgarantien vielleicht auf eine Nato-Mitgliedschaft seines Landes zu verzichten.

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