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Krieg - Schwerin:Klimaaktivistin macht Front gegen die Klimastiftung MV

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Schwerin/Berlin (dpa/mv) - Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat einen Klimastreik in Schwerin genutzt, um hart mit den Verantwortlichen der Klimastiftung MV ins Gericht zu gehen. "Die Stiftung steht sinnbildlich für einen fossil-korrupten Komplex, den wir in Deutschland auch mitten in der Regierung erleben", sagte sie am Rande ihrer Rede am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.

Ihr gehe es zuallererst um eine Aufarbeitung: Wenn es nur darum ginge, die Stiftung schnellstmöglich aufzulösen, dann wäre man bei Symbolpolitik, so Neubauer. "Man muss sich wirklich fragen: Wer hat das möglich gemacht? Wer war darin verstrickt? Wie stellt man Glaubwürdigkeit her?". Hierbei bekam sie Unterstützung von der Deutschen Umwelthilfe (DUH): "Mit ihrer Fake-Stiftung für Nord Stream 2 hat Manuela Schwesig Beihilfe zur Erhöhung der Energieabhängigkeit von Russland geleistet", meldete sich Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner zu Wort. Dies müsse lückenlos aufgeklärt werden.

Die Anfang 2021 gegründete Landesstiftung stand von Anfang an in der Kritik, weil sie neben dem gemeinwohlorientierten Bereich für Klimaschutz auch einen wirtschaftlichen Teil umfasste. Dieser sollte dem russischen Staatskonzern Gazprom und dessen westeuropäischen Investitionspartnern helfen, den Bau der Gas-Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee unter Umgehung von US-Sanktionen zu vollenden. Die Leitung war im Herbst 2021 fertiggestellt worden, erhielt wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine aber keine Betriebserlaubnis. Der Landtag entschied nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges, die Stiftung aufzulösen. Noch ist jedoch nicht abschließend geklärt, ob dies rechtlich möglich ist.

Den Schätzungen der Veranstalter zufolge waren am Freitag rund 400 Menschen in Schwerin dem Protestaufruf gefolgt. Laut FFF war dies jedoch nicht die einzige Veranstaltung am Freitag, so gingen laut einem Sprecher auch Aktivisten in Freiburg im Breisgau, Lübeck, München und im polnischen Danzig für ein Embargo von russischem Gas, Öl und Kohle auf die Straße. Auch Neubauer forderte dies in ihrer Rede mit Blick auf die Schweriner Staatskanzlei und den Landtag als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine, auch wenn ein Gasboykott nicht schmerzlos zu haben sei.

Die von Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) geführte Klimastiftung rückte am Freitag auch die kurzfristigen Nachteile der Alternativen zu russischen Gaslieferungen in den Fokus: "Dient es dem Klimaschutz tatsächlich, wenn nun das russische Gas durch Flüssiggas ersetzt wird, das auch dank seiner Fracking-Herkunft eine zusätzlich belastete Ökobilanz hat?", hieß es von Peter Adolphi - Geschäftsführer der Akademie nachhaltige Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern - in einem Blogeintrag zum FFF-Aufruf, auf den die Stiftung hinwies.

Den politisch Verantwortlichen stellte Neubauer bei der Aufarbeitung und dem nötigen Kurswechsel in der Klimapolitik ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: Es werden zwar aktuell viele Schritte gegangen, so die Klimaaktivistin. Doch dort, wo man sich mit der eigenen Partei oder der eigenen Geschichte auseinandersetzen oder mit der Industrie anlegen müsse, passiere kaum etwas.

"Es ist extrem beunruhigend: Die aktuelle Regierung, sowohl in MV als auch im Bund, ist die Regierung, mit der wir den großen Teil der Energietransformation und der Klimawende hingekommen sollen." Es sei unklar, wie das funktionieren solle, wenn dort aufgehört werde zu handeln, wo es unbequem werde, sagte sie weiter.

Auch die Oppositionsfraktionen von Grünen und FDP im Schweriner Landtag meldeten sich anlässlich des Klimastreiks zu Wort und forderten erneut Aufklärung. "Die verfehlte Energie- und Russlandpolitik der Ministerpräsidentin ist hochgefährlich für unser Klima und gleichzeitig erwiesenermaßen katastrophal für die Sicherheitsarchitektur in Europa", so Hannes Damm, klima- und energiepolitischer Sprecher der Grünen.

FDP-Fraktionschef René Domke forderte zudem die Entbindung des Finanzministers vom Steuergeheimnis, um offene Fragen zu steuerlichen Problemen und zum Verhalten der Stiftung zu klären: "Es entsteht sonst öffentlich der Eindruck, hier würden unterschiedliche Maßstäbe angelegt".

© dpa-infocom, dpa:220428-99-83469/5

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