Die Vereinten Nationen werfen Israel vor, das Gesundheitssystem im Gazastreifen völlig zerstört und dabei systematisch das Völkerrecht gebrochen zu haben. „Die Zerstörung des Gesundheitssystems im Gazastreifen und das Ausmaß der Tötung von Patienten, medizinischem Personal und anderen Zivilisten bei diesen Militäraktionen ist direkte Folge einer Missachtung des Völkerrechts“, heißt es laut der Nachrichtenagentur Reuters in einem 23 Seiten langen UN-Report. Eine offizielle israelische Stellungnahme zu dem Bericht lag bisher nicht vor.
In früheren Fällen hat sich Israels Armee (IDF) aber stets darauf zurückgezogen, dass die Hamas Kliniken und Gesundheitseinrichtungen im Gazastreifen für militärische Zwecke systematisch missbrauche. Die IDF gehe bei ihren Operationen mit der größtmöglichen Zurückhaltung vor. Die hohen Opferzahlen bei Attacken auf Kliniken in dem palästinensischen Küstengebiet widersprechen dem allerdings diametral.
Das Muster der Attacken auf Krankenhäuser wiederholt sich
„Das Muster der israelischen Angriffe in Gaza auf Krankenhäuser und deren nächste Umgebung und die damit verbundenen Gefechte haben das Gesundheitssystem an den Rand des Totalkollapses gebracht“, heißt es in dem UN-Report. Die Auswirkungen auf die Zugriffsmöglichkeiten für Palästinenser auf Einrichtungen zur Gesundheitsvorsorge und jede Art der medizinischen Versorgung seien „katastrophal“, erklärte das UN-Menschenrechtsbüro. Dem Report zufolge gab es im untersuchten Zeitraum mindestens 136 Angriffe auf 27 Krankenhäuser und mindestens zwölf Attacken auf andere medizinischen Einrichtungen. Dabei seien eine hohe Zahl an Ärzten, Pflegepersonal und Patienten getötet oder verletzt worden.
Das Muster der Attacken auf palästinensische Gesundheitseinrichtungen wiederholt sich seit Beginn des jüngsten Gaza-Kriegs, der durch den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober ausgelöst worden war. Es begann mit den Angriffen auf das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt; die riesige Klinik war die wichtigste medizinische Einrichtung im Gazastreifen. Schon damals führte Israel an, dass sich in und unter der Klinik zentrale Kommandoposten der Hamas befänden und dort einige der am 7. Oktober entführten israelischen Geiseln festgehalten worden seien. Die IDF zeigte immer wieder Räume in oder unter palästinensischen Kliniken, in denen Geiseln gefangen gehalten worden sein oder von denen aus zahlreiche Militäraktionen geleitet worden sein sollen.
Journalisten und Experten können sich vor Ort kein Bild machen – sie haben keinen Zutritt zum Gazastreifen
Dass die Hamas auch Kliniken für ihre Zwecke missbraucht hat oder sich ihre Kämpfer dorthin oft zurückgezogen haben, ist unstrittig. Der endgültige und alles klarstellende Beweis eines umfassenden Missbrauchs von Kliniken für militärische Zwecke durch die Hamas fehlt von israelischer Seite aber bis heute. In der israelischen Zeitung Jerusalem Post wies ein amerikanischer Militärexperte diese Darstellung allerdings zurück. John Spencer, der sich am „Institut für moderne Kriegsführung“ an der US-Militärakademie Westpoint mit „Urban warfare“, also der Kriegsführung in Städten befasst, urteilte: „Meinen Untersuchungen zufolge wurden Kliniken vom ersten Tag des Krieges zwischen Israel und der Hamas für terroristische Zwecke von der Hamas missbraucht. Seitdem ist das Ausmaß immer weiter gestiegen“, behauptet der US-Experte.
Ob dieses Urteil wirklich zutreffend sein kann, ist fraglich. Genauso wie internationale Journalisten haben auch Experten wie der US-Militärexperte Spencer seit Kriegsbeginn keinen Zutritt zum Gazastreifen. Sie können sich nur auf israelische oder palästinensische Quellen stützen, ohne selbst vor Ort die Lage in Augenschein nehmen zu können.

In den vergangenen Tagen wurden die Angriffe auf Kliniken fortgesetzt. So hatten israelische Truppen mehrfach die Kamal-Adwan-Klinik im isolierten Nordteil des Gazastreifens angegriffen. Der arabische Sender Al Jazeera berichtete, die Patienten seien unter Zwang in das teilweise zerstörte und nicht mehr arbeitende „Indonesische Hospital“ in Sicherheit gebracht worden.
Mit der Attacke auf die Kamal-Adwan-Klinik sei das einzige noch funktionierende Krankenhaus in Nord-Gaza außer Betrieb gebracht worden. Klinik-Chef Hussam Abu Safiya wurde festgenommen. Israel erklärte, der Mediziner werde „verdächtigt, ein Hamas-Terrorist zu sein“. Der Klinikdirektor hatte sich der Aufforderung zur Räumung seiner Klinik widersetzt und auf das Schicksal seiner Patienten hingewiesen. Das Krankenhaus sei von der Hamas als Kommandozentrale missbraucht worden, behauptete die IDF auch dieses Mal. Man habe zahlreiche Militante getötet oder festgenommen. Nachprüfbare Beweise für den Missbrauch der Klinik als Kommandozentrale legte Israel dem Al-Jazeera-Bericht zufolge bisher nicht vor.
„Das ist die letzte Warnung“, sagt Israels UN-Botschafter
Unterdessen verschärft sich auch der Konflikt zwischen Israel und der Huthi-Miliz in Jemen weiter. Der israelische UN-Botschafter Danny Danon warnte die Huthis: Die jemenitische Schiiten-Miliz werde „dasselbe elende Schicksal haben wie die Hamas und die Hisbollah“. Die Huthis sind wie die Hamas und die libanesische Hisbollah mit der Islamischen Republik Iran in einer antiisraelischen „Achse des Widerstands“ verbündet.
„Vielleicht habt ihr nicht mitbekommen, was im letzten Jahr in Nahost geschehen ist“, wandte sich Botschafter Danon direkt an die Huthis. „Gestattet mir, daran zu erinnern, was mit der Hamas, der Hisbollah und mit Baschar al-Assad in Syrien passiert ist. Das sind alle die, die versuchen, uns zu zerstören“, so der israelische UN-Diplomat. „Das ist die letzte Warnung.“
Die Huthis sind eine schiitische Splittergruppe, die Nordjemen beherrscht und von Iran unterstützt wird. Sie hatten nach Beginn des Gaza-Kriegs ihre „Solidarität“ mit den Palästinensern erklärt und begonnen, Israel mit Raketen und Drohnen zu beschießen. Zugleich griffen die Islamisten auch die Schifffahrtsrouten im Roten Meer an und beschossen zivile Frachter und Tanker.
Obwohl Kriegsschiffe der USA und Großbritanniens sowie deren Luftwaffen Jemen vielfach bombardiert hatten, schießen die Huthis weiter. Nach israelischen Angaben wurden schon rund 200 Raketen und 170 Drohnen auf Israel abgefeuert. Mehrere Langstreckengeschosse erreichten dabei Ziele in Israel. Sie richteten bisher aber nur begrenzten Schaden an. Am Montag flog erneut eine Langstreckenrakete vermutlich iranischer Bauart Zentral-Israel an. Sie wurde abgefangen. Israel selbst hat im Gegenzug bereits mehrfach schwere Luftangriffe gegen Jemen geflogen und dort vor allem Hafenanlagen und Militäreinrichtungen zerstört.