Krieg in Syrien:Wie es zum US-Luftangriff auf Assad-Kämpfer kam

US-Militär bleibt in Manbij

Zwei US-Soldaten schauen von ihrer Basis in Syrien zur türkischen Grenze hinüber.

(Foto: dpa)
  • Ein Zusammenstoß zwischen von den USA unterstützten Einheiten und Kräften des Regimes hat in Syrien 100 Tote gefordert.
  • Syrische Staatsmedien werfen den Amerikanern "eine neue Aggression" vor. Russland kritisiert die "illegale Präsenz der USA in Syrien".
  • Die USA haben angekündigt, im Norden des Landes trotz des Sieges gegen den IS auf unbestimmte Zeit Truppen zu lassen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die Angreifer, 500 Mann, kamen mit Panzern, feuerten mit Artillerie-Geschützen, Mörser-Granaten und Raketenwerfern. 20 bis 30 Geschosse schlugen im Umkreis von weniger als 500 Metern um das lokale Hauptquartier der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) in der Stadt Deir al-Sour ein, in dem auch US-Militärberater stationiert sind, so die Darstellung der von den USA geführten internationalen Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Sie habe daraufhin mit Artillerie und Luftunterstützung die "unprovozierte Attacke" zurückgeschlagen, die von einer Miliz ausgegangen sei, die mit Präsident Baschar al-Assad verbündet ist.

Es war nicht der erste solche Zusammenstoß zwischen von den USA unterstützten Einheiten und Kräften des Regimes in den vergangenen Monaten, aber bei Weitem der schwerste. Nach US-Angaben wurden 100 Angreifer getötet. Syrische Staatsmedien warfen den Amerikanern "eine neue Aggression" vor. Die syrische Regierung forderte den UN-Sicherheitsrat auf, den US-Luftangriff als "Massaker" zu verurteilen. Die Deutsche Presse-Agentur zitierte syrische Militärquellen, wonach viele der Getöteten afghanische Kämpfer gewesen seien; die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle teilte mit, es habe sich um lokale Stammesleute und schiitische Milizionäre aus Afghanistan gehandelt.

Laut US-Militärquellen versuchten sie, ein Gebiet einzunehmen, das die SDF im September vom IS zurückerobert hatten. Dort befindet sich bei Khusham das Omar-Ölfeld, das eine wichtige Einnahmequelle des IS war, und um das es bereits damals fast zu Gefechten zwischen SDF und Regierungstruppen gekommen wäre. Der angegriffene Stützpunkt liegt laut den USA acht Kilometer östlich einer mit Russland vereinbarten Demarkationslinie entlang des Euphrat. Durch sie sollen Zusammenstöße zwischen russischen Truppen und der US-geführten Koalition vermieden werden.

Von bis zu 5000 US-Soldaten in Syrien ist die Rede

Wie das Verteidigungsministerium in Moskau mitteilte, waren keine russischen Soldaten in der Nähe. Die Präsenz afghanischer Kämpfer spricht aber für eine Beteiligung Irans. Teheran rekrutiert schiitische Hazara, die oft in Iran als Flüchtlinge leben, zu Tausenden als Kämpfer für die sogenannten Fatemiyoun-Brigaden. Diese kämpfen unter Anleitung von Offizieren der iranischen Revolutionsgarden auf Seiten Assads. Seit Mai 2017 kam es zu fünf weiteren Zusammenstößen, bei denen US-Flugzeuge zwei syrische Kampfjets und mehrere Drohnen abschossen sowie Fahrzeuge und Kämpfer bombardierten.

Das russische Außenministerium kritisierte, die "illegale Präsenz der USA in Syrien" gefährde die territoriale Integrität. Das Verteidigungsministerium warf den Amerikanern vor, es gehe ihnen nicht um den Kampf gegen den IS, sondern um "wirtschaftliche Werte, die nur Syrien gehören", ein Verweis auf die Ölfelder unter Kontrolle der SDF. Im internationalen Maßstab sind sie unbedeutend, für die Eigenversorgung Syriens jedoch nicht.

Die US-geführte Koalition machte deutlich, dass sie ihre Verbündeten auch weiter und an anderen Orten in Syrien verteidigen werde. Zwar hatten sich die USA dem Einmarsch der Türkei in den nordwestsyrischen Kanton Afrîn nicht aktiv entgegengestellt, der von den kurdischen YPG-Milizen dominiert wird. Allerdings reisten die US-Generäle Jamie Jarrard, zuständig für die Spezialkräfte im Irak und in Syrien, und Paul Funk, Kommandeur der Anti-IS-Koalition, in Begleitung zweier Journalisten der New York Times nach Manbidsch, 100 Kilometer östlich von Afrîn.

Manbidsch hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan als nächstes Ziel genannt. Er sagte, Afrîn sei nur eine "Aufwärmübung". Allerdings erzielten türkische Truppen und mit ihnen verbündete syrische Milizen, etwa 20 000 Mann, in den vergangenen Tagen nur geringe Geländegewinne. Sie erlitten erhebliche Verluste. Schon bald werde es "weitere Schritte" geben, drohte Erdoğan - anscheinend unbeeindruckt von dem amerikanischen Solidaritätsbesuch, der zweifellos als Warnung an Ankara gedacht war.

Die USA haben angekündigt, trotz des Sieges gegen den IS auf unbestimmte Zeit Truppen im Norden Syriens zu lassen. Derzeit sind es laut dem Pentagon etwa 2000 Mann. Ein Kontingent von 400 US-Marines, die für den Kampf um Raqqa nach Syrien verlegt worden waren, sind wieder abgezogen. Experten vermuten aber, dass die Zahl der US-Soldaten in Syrien deutlich höher liegt - von bis zu 5000 ist die Rede. Sie sollen zusammen mit den SDF die Überbleibsel des IS bekämpfen und ein Wiedererstarken verhindern, aber auch wachsendem iranischen Einfluss begegnen. Während Russland, Iran und die syrische Regierung jede US-Präsenz offiziell ablehnen, kritisiert die Türkei die Zusammenarbeit mit den kurdischen YPG. Sie gelten Ankara als Ableger der PKK, die in der Türkei als terroristisch eingestuft ist.

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