Krieg in Syrien:Wettkampf um die Inszenierung des Grauens

Krieg in Syrien: Alles an dieser Inszenierung erinnert an die Verbrennung des jordanischen Piloten durch den IS.

Alles an dieser Inszenierung erinnert an die Verbrennung des jordanischen Piloten durch den IS.

(Foto: AFP)
  • Syrische Aktivisten wollen auf das Leid der Kinder im Bürgerkrieg aufmerksam machen - mithilfe einer provokanten Aktion.
  • Sie inszenieren ein Foto auf dem Kinder in einem Käfig zu sehen sind. Sie tragen orangefarbene Kleidung - eine Anspielung auf die Verbrennung des jordanischen Piloten Moaz al-Kasasbeh durch die Terrororganisation IS
  • Die Hilfsorganisation Save the Children kritisiert die Aktion und macht sich um die Sicherheit der abgebildeten Kinder Sorgen.

Von Antonie Rietzschel

Der Schock-Moment. Keiner versteht ihn derzeit besser in Szene zu setzen als die Terrororganisation Islamischer Staat. Die Verbrennung des jordanischen Piloten Moaz al-Kasasbeh war für die Massenmedien inszeniert: Immer wieder wird der Gefangene in seinem Käfig gezeigt, in orangefarbener Häftlingskleidung, den Kopf gesenkt. Dann der Kameraschwenk zu vermummten Kämpfern, die in einer Trümmerkulisse stehen. "Es sind genau die starken Bilder, die Medien zeigen wollen und die die Terroristen zeigen wollen, und es ist schwer für die Redaktionen, sich aus dieser Logik zu befreien", schreibt der Medienjournalist Stefan Niggemeier in einer ausführlichen Analyse für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.

Kinder im Käfig

Es mag zynisch klingen, aber der Islamische Staat stiehlt auf diese Weise weiteren blutigen Konflikten auf der Welt die Aufmerksamkeit. Der Bürgerkrieg in Syrien zum Beispiel geht in das vierte Jahr. An die Bilder zusammengeschossener Städte hat man sich gewöhnt. Aktivisten aus Syrien wollen das ändern haben und haben deshalb selbst zur Bildsprache des IS gegriffen:

Krieg in Syrien: Alles an dieser Inszenierung erinnert an die Verbrennung des jordanischen Piloten durch den IS.

Alles an dieser Inszenierung erinnert an die Verbrennung des jordanischen Piloten durch den IS.

(Foto: AFP)

Inszeniert wurde das Foto in Duma, einem Vorort von Damaskus. Versehen mit dem Hashtag #DoumaExterminated geht es derzeit um die Welt. Die Bild-Zeitung zitiert einen Aktivisten, der an der Kampagne beteiligt war:

"Wir wollen den Leuten klarmachen: Als ISIS den Piloten ermordet hat, hat die ganze Welt übers Internet Anteil genommen. Aber auch in Duma sterben viele Frauen, Kinder, alte Menschen durch die Luftschläge von Assads Armee. Auch sie verbrennen, und zwar in den Gebäuden, die von Assads Bomben getroffen wurden - aber das interessiert niemanden."

Die Stadt ist derzeit in der Hand von Rebellen. Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge starben allein seit Anfang Februar 183 Menschen, darunter auch zahlreiche Kinder. Besonders auf ihr Leid wolle man aufmerksam machen, so der Aktivist.

Syrien ist der Unicef zufolge einer der gefährlichsten Orte für Kinder. Millionen Kinder sind traumatisiert oder leiden unter schweren Krankheiten - und das in einem Land, in dem die Gesundheitsversorgung komplett zusammengebrochen ist.

Hilfsorganisation bangt um Sicherheit der Kinder

Mehrere Hilfsorganisationen dokumentieren das Leid, darunter Save the Children. Pressesprecherin Claudia Kepp sieht die Aktion der syrischen Aktivisten kritisch. "Es geht hier um Inszenierung", sagt sie Süddeutsche.de, die Kinder würden instrumentalisiert, um mediale Aufmerksamkeit zu schaffen. "Ich glaube nicht, dass den Kindern klar war, worum es da eigentlich geht." Darüber hinaus macht sie sich um deren Sicherheit Sorgen. Denn es gibt auch Aufnahmen, auf denen die Gesichter der Jungen und Mädchen ganz klar zu erkennen sind, auch sie kursieren im Internet. Assads Schergen wissen ganz genau, was dort passiert. "Dadurch können die Familien selbst zu Opfern werden", so Kepp.

Save the Children ist selbst in Syrien aktiv und sammelt Informationen über die Situation von Kindern. Dabei werden auch Familien befragt. "Wir verändern die Namen. Auf Fotos zeigen wir beispielsweise nur den Hinterkopf, um die Menschen nicht in Gefahr zu bringen", sagt Kepp.

Augenzeugen befragen, Berichte schreiben, diese Arbeit ist wichtig, sorgt aber nicht gerade für so große mediale Aufmerksamkeit, wie ein provokatives Foto oder Video. Das wissen auch die Hilfsorganisationen. Save the Children hat im vergangenen Jahr ein Video veröffentlicht, das mittlerweile drei Millionen Menschen gesehen haben. Die Protagonistin ist jedoch eine Schauspielerin:

"Nur weil es nicht hier passiert, heißt es nicht, dass es gar nicht passiert", lautet die abschließende Botschaft des Videos. "Die ganze Zeit haben wir unsere Hoffnung in die Zukunft gesetzt", schreibt die Sprecherin des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen, Melissa Fleming in einer Analyse für den Guardian. Der Krieg in Syrien geht weiter. Gleichzeitig wird auch der Islamische Staat nicht so schnell verschwinden. Die Bilder - inszeniert oder nicht - bleiben grausam.

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